Seit über drei Jahren rasen wir von einer Finanzkrise in die übernächste. Kaum ist ein politischer Krisengipfel vorbei, folgt schon der Nächste. Die Summen, um die es dabei geht, werden mit jedem scheinbaren Lösungsansatz immer größer. Die Bürger können nur noch erahnen, um welch gewaltige Risiken es dabei geht.
Immer wieder geben die von uns gewälten PolitikerInnen neue Bürgschaftserklärungen ab. Zwar wird darüber im Bundestag demokratisch abgestimmt, doch angesichts der (angeblich) zu komplexen Vorgänge wissen die meisten Abgeordneten nicht, warum und zu was sie ihre Zustimmung geben. Und die gegen eine immer größere Verschuldung sind, können das oft auch nur mit Angst vor weiteren Schulden begründen.
Um es zu verkürzen: wir stecken in einer Schuldenkrise, weil seit sehr langer Zeit eine immer kleinere Zahl von Personen und Organisationen mit wenig eigenem aber viel geliehenem Geld schlimmer als im Spielcasino zockt. Es geht nur darum, aus Geld immer noch mehr Geld „zu machen“. Dabei wird auch nicht davor zurück gesteckt, gegen ganze Staaten oder sogar die Währung, die man selbst auf dem Konto hat, zu wetten.
Fast alle staatlichen Institutionen haben bei dieser Entwicklung nicht nur weggeschaut, sonder durch eine völlig außer Kontrolle geratenen Verschuldungspolitik den Finanzjongleuren auch noch in die Hände gespielt. Die seit drei Jahren andauernden Krisengipfel sind dabei ein hilfloses „Herumdoktorn“ an Symptomem. Im Ergebnis sind alle in dieser Zeit aufgelegten Hilfsprogramme nur dazu da, um (angeblich) systemrelevante Banken zu retten und gleichzeitig den Staatsbankrott von Griechenland zu vermeiden und den Zusammenbruch des Euros usw. Tatsächlich landet das Vermögen ganzer Staaten in Form von Bürgschaften aber in den Taschen von einigen wenigen, über den Umweg von Banken und Hedgefonds oder dubiose Börsentransaktionen.
Transaktionen – hätte man längst abschaffen können. Einfach weltweit eine hohe Steuer drauf und fertig. Wär der Zauber ganz schnell vorbei. Aber das ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Politik nicht mehr das Handeln bestimmt, sondern die Finanzwirtschaft (ist ja auch bezeichnend, dass die jetzt als eigener Wirtschaftszweig benannt wird...).
Wirtschaftskrisen gab es schon immer. Und immer entstanden in solchen schwierigen Zeiten auch alternative Ansätze, um anders mit unseren Werten, vor allem mit Geld, umzugehen.
Grundlage unserer Währungen wie Euro, Dollar, Yen was auch immer ist schon seit langem ein virtuelles „Vermögen“. Das Vertrauen seiner Bürger in den jeweiligen Staat und den damit verbundenen Wert seiner Währung. Blöd ist nur, dass auf dieser Ebene mit Hilfe von komplexen Finanzsystemem der durch Zins und ähnliche Mechanismen abgeschöpfte Geldwert ständig um den Globus gejagt wird, um dabei aus diesem Vermögen ein noch größeres zu machen. Und meine mühsam erabeiteten Sparcent sind genauso dabei wie die von Millionen anderen – obwohl das die ganz große Mehrheit sicher gar nicht will. Aber so funktioniert das derzeit existente Geldsystem, und das ist nur eine von vielen Perversionen.
Tauschringe – nie waren sie so wertvoll wie Heute...
Auch für Tauschringe ist das Vertrauen ihrer Mitglieder die Grundlage für ihr funktionieren und den Bestand ihrer wie auch immer gestalteten Verrechnungseinheiten, ob sie nun Talent oder Torfdollar heißen mögen.
Wir alle sind davon überzeugt, dass z.B. die einmal gutgeschriebenen Talente auch nächster Jahr noch gegen eine dann gebrauchte Dienstleistung oder Ware eingetauscht werden kann. Wir vertrauen natürlich auch darauf, dass irgendwann ein anderes Mitglied unsere eigenen Angebote in Anspruch nimmt, damit wir unser Konto wieder ausgleichen. Und ganz selbstverständlich sind wir alle zutiefst davon überzeugt, dass unser lokales Tauschsystem auch in zehn Jahren noch existiert.
Und damit wissen wir auch, dass genau diese Art der lokalen Ökonomie auch diese uns seit Jahren über die Gebühr strapazierenden Finanzkrisen überdauern wird. Tauscheinheiten kann eben niemand um den Globus schicken, so lange wir als Mitglieder darauf achten, dass sie lokal verankert bleiben. Aber das werden wir, da bin ich sicher. Tauschringe sind sehr demokratisch organisiert, hier wird sich niemand solche Vorteile durch Lobbyarbeit erschleichen können, wie das im Fall der weltweit agierenden „Finanzwirtschaft“ geschah.
Es wird, auch wenn es in der überwiegenden Mehrheit keine Umlaufsicherung gibt, auch kaum jemanden geben, der Tauscheinheiten „hortet“ (sie also damit auch dem Tauschring entzieht). Über Zeiträume von 2- 3 Jahren bringt eigentlich jedes Mitglied seine Guthaben komplett wieder in den Umlauf. Denn eine besonders gute Eigenschaften von Tauschringen ist nun mal, dass sie praktisch eine zinsfreie Zone sind.
Für die Zukunft wäre es jetzt an der Zeit, unsere Erfahrung mit einem alternativem Geld- und Wirtschaftssystem z.B. in die globale Occupy Bewegung einzubringen. Tauschringe könnten ein wichtiger Baustein sein, um die globale Finanzwirtschaft in die Schranken zu weisen und letzten Endes auch zu entmachten.
Tauschringe sind auch ein funktionierendes Beispiel dafür, wie man Kapital demokratisch teilen und verwalten kann. Wie man verhindert, dass gesellschaftliches Vermögen durch Zins- und Geldsysteme über Gewinnabschöpfungen von einigen wenigen den jeweiligen Regionen entzogen wird. Das tun ganz viele von ihnen seit 1995, haben also schon über 15 Jahre Erfahrung damit gesammelt.
Deshalb (aber nicht nur) sind Tauschringe so wertvoll wie noch nie vorher. Sie werden diese Krisen auf alle Fälle überleben. Sie werden den Menschen in ihrer Region auch dann noch Sicherheit bieten können, wenn zum Beispiel der Euro scheitern sollte.
Allerdings finde ich auch, dass Tauschringe gerade jetzt noch viel mehr könnten. Wenn sie jetzt mit einer gemeinsamen Stimme für ein menschenwürdiges Geldsystem agieren, könnte das auch in der Politik endlich für ein Umdenken sorgen.
Klaus Reichenbach, Kassel, 7.11.2011
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