Mittwoch, 16. September 2015

Europa braucht ein Wir-Gefühl

Die aktuellen Krisen fördern es zutage. Den Europäern fehlt eine gemeinsame Identität. Weil sie versäumt haben, ein "Wir-Gefühl" zu entwickeln, tun wir uns jetzt so schwer, die Flüchtlingskrise oder auch die griechische Krise zu lösen.

Schon die Finanzkrise um Griechenland, besonders aber die in den letzten Wochen eskalierte Flüchtlingskrise haben eine Eruption angestauter Gefühle hervorgebracht. An der Debatte um die schier endlosen Flüchtlingsströme beteiligt sich beinahe jede/r. Leidenschaftlich wird das Für und Wider von Asyl und Zuwanderung debattiert. Zugleich stellen wir fest, dass wir so nicht weiter machen dürfen, kopf- und planlos, ohne eine gemeinsame europäische Idee. Wir alle spüren, dass die Zeit für die Entscheidung über die Zukunft der Europäischen Union gekommen ist.
Unser Bauchgefühl sagt ganz deutlich, das die Herausforderug eben nicht das Finden der effizientesten ökonomischen oder der überzeugendsten politischen Lösung ist. Was wir jetzt brauchen, ist eine europäische Vision, eine, die allen BürgerInnen eine zukunftsorientierte neue Form von Sinn und Identität geben kann.

Dazu bedarf es einer interkulturellen Perspektive. Es gibt nun mal keine Normen und Werte, die für alle europäischen Gesellschaften geeignet wären. Aber wir können Umstände entwickeln, die die Menschen die Welt in einem ausreichend gemeinsamen Licht sehen, das sie verbindet und ihnen ein gemeinsames Ziel aufzeigt.
Das wesentliche Problem der Europäische Union ist kein ökonomisches und kein politisches, sondern ein soziales. Die wirtschaftlichen und politischen Probleme sind nur Symptome der viel größeren Herausforderung. Es ist die Entwicklung eines europäischen Zielbewusstseins.
Für sich betrachtet lassen sich die wirtschaftlichen oder politischen Probleme der EU leicht bewältigen. Viele Ökonomen haben recht, wenn sie sagen, dass die Sparpolitik die wirtschaftliche Depression in Griechenland verschlimmert (hat). Andere (meist Deutsche) Ökonomen haben Recht, wenn sie sagen, dass ein bedingungsloser Schuldenschnitt Korruption und Ineffizienz in Griechenland weiter bestehen lässt und von den Geldgebern weiter finanziert würde. 


Genauso haben Kritiker Recht, die eine bedingungslose Öffnung der Grenzen ablehnen, weil sie zu Recht befürchten, dass die Kapazitäten für eine funktionierende Erstaufnahme absehbar erschöpft sind - oder weil sie, ebenfalls zu Recht, fordern, dass die Flüchtlinge auf alle EU Mitglieder zu verteilen seien. Genauso haben diejenigen Recht, die jetzt sagen, es wurde schon viel zu lange nur geredet, jetzt ist einfach die Zeit für Hilfe und Barmherzigkeit und die in der Gewissheit leben, dass wir diese große Menge ab Menschen integrieren können.
Doch immer stehen sich die Lager festgefahren in ihren Ansichten gegenüber. Was ihnen fehlt, ist eine gemeinsame europäische Identität, ein Zugehörigkleitsgefühl zu Europa. Statt dessen ist diese Zugehörigkeit aber von nationalen Grenzen und Gefühlen bestimmt. Die PolitikerInnen in den einzelnen Mitgleidsländern vertrauen einander nicht. Misstrauen führt zum scheitern jedweder Kooperation und mündet oftmals in Konfrontation und Konflikte. Und das, obwohl ein elementarer Grund für de Gründung der Europäischen Union es war, genau solche Konflikte undenkbar zu machen. Es wäre eine der größten anzunehmenden Tragödien, wenn ausgerechnet die aktuellen Probleme der Flüchtlingsströme und der wirtschaftlichen Krisen zu neuen Feindschaften in Europa führen würden.


Die EU muss deshalb ihren Mitgliedern (und damit ihren BürgerInnen) eine Inspiration, eine zukunfstweisende Vision, bieten. Damit meine ich deutlich mehr wie das Versprechen auf möglichen wirtschaftlichen Wohlstand, basierend auf freien Märkten und internationaler Wettbewerbsfähigkeit. Eine gemeinsame Identität wächst nicht allein durch freien Handel in einem gemeinsamen Markt, denn die Gesellschaft ist eben mehr als ein Marktplatz.
Erfolgreiche Gesellschaften erzeugen ein Verständnis sozialer Zugehörigkeit, basierend auf zwischenmenschlichen Beziehungen, einem gemeinsamen Verständnis einer gemeinschaftlichen Vergangenheit und der Vision von einer kollektiven Zukunft.
Wir als BürgerInnen der Europäischen Union müssen uns darüber im Klaren sein, das es an der Zeit ist, eine Vision zu entwickeln, die die europäischen Völker dazu bewegt, sich gegenseitig zu unterstützen. Weil wir ein gemeinsames Ziel haben. Deshalb müssen und sollen die nationalen, regionalen, religiösen und kulturellen Zugehörigkeiten nicht aufgegeben werden. Eine europäische Identität wird als gemeinsame Basis die vorhandenen Identitäten ideal ergänzen und erweitern. Praktische Wege dahin sind ansatzweise bereits vorhanden. Jeder junge Europäer könnte ein soziales Jahr in einem anderen EU Land machen, dort leben, Menschen, ihre Kultur, Sprache, Religion oder soziale Einordnung erleben - und gemeinsam mit ihnen an gesellschaftlich relevanten Projekten arbeiten. Wer die Erfahrung macht, bei Menschen in einem anderen Land als Gast willkommen zu sein, die anders sind als man selbst, wird einen anderen Blick auf Europa und seinen Wert an sich gewinnen.
Auch ein einheitlicher europäischer Arbeitsmarkt würde helfen, bestehende kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden und einen wichtigen Impuls für die soziale Integration Europas geben. Auch die Implementierung einer gemeinsamen Finanzpolitik ist dringend erforderlich. Zwar gibt es die Maastricht Kriterien, aber dagegen verstoßen ja sogar Deutschland und Frankreich - und nicht nur die Krisenländer wie Griechenland.
Klar braucht es Zeit, bis aus diesen und weiteren Maßnahmen eine gemeinsame europäische Identität entsteht. Aber wann wollen wir damit beginnen, wenn nicht jetzt? Schon kleine Erfolge werden uns schnell in eine Zukunft bewegen, die sich stark von dem "Elend" unterscheidet, in dem wir jetzt festsitzen. Und ein solch kleiner Erfolgschimmer wird bereits ausreichen, um uns einen toleranteren Umgang miteinander zu lehren. Das würde dem großartigen europäischen Projekt neues Leben einhauchen. Es gibt wohl keine bessere Zeit als jetzt, um damit zu beginnen.  

Donnerstag, 3. September 2015

Entscheidung für Europa

Die Flüchtlingskrise überfordert die EU heillos. Die damit sichtbar werdende Inkompetenz ist auch eine große Gefahr für die Europäische Union selbst.
Viele Jahrhunderte lang plagten die Menschen in Europa Kriege, Hungersnöte und bittere Armut. Millionen Europäer wanderten deshalb aus, getrieben von blanker Not. Nach Nord- oder Südamerika, sogar bis nach Australien. Sie taten alles um ihrer scheinbar ererbten Not für sich und ihre Kinder zu entkommen. Heute würden wir diese Europäer als "Wirtschaftsflüchtlinge" bezeichnen.
Im 20. Jahrhundert waren dann rassistische Verfolgung, politische Unterdrückung und die Folgen von zwei Weltkriegen die Hauptursachen für eine Flucht.
Und Heute? Die EU ist wahrscheinlich der reichste Wirtschaftsraum der Welt. Die meisten Europäer leben seit Jahrzehnten friedlich in demokratischen Staaten. Es gibt garantierte Grundrechte und eine einmalige soziale Infrastruktur.
Erinnerungen an ferne Zeiten der Not scheinen in Europa ausgelöscht zu sein. Deshalb fühlen sich die Menschen und ihre PolitikerInnen so bedroht. Nicht durch Putin und seine agressive russische Expansionspolitik, sondern durch Zuwanderer und Flüchtlinge, die Ärmsten der Armen. Sie kommen in Massen nach Europa und scheinen Frieden und Wohlstand zu gefährden.
Während tausende Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken oder auf dem Landweg in LKW's ersticken, werden Rufe nach Massendeportationen, nach Abschottung, kilometerlangen Zäunen und Mauern immer lauter. Sechsundzwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer zeigt sich Fremdenfeindlichkeit und Rassismus wieder ganz offen. Nationalistische und rechtsradikale Parteien feiern wieder Erfolge.
Dabei ist der heiße Sommer 2015 erst der Beginn der aktuellen Flüchtlingskrise. Die Ursachen können nicht so schnell verschwinden, sie werden sich eher verstärken. Die europäischen Staaten sind ganz offensichtlich politisch, moralisch und administrativ zu keiner gemeinsamen Lösung bereit. Letzteres ist äußerst beschämend, denn die Mehrheit der EU Staaten verfügt über hervorragend ausgestattete und große Sozialbürokratien.
Dieser Unwillen, gepaart mit einer großen Portion Unfähigkeit, gefährdet aber am Ende die gesamte Europäische Union. Es wird auf Dauer nicht gutgehen, wenn nur eine Handvoll Mitgliedstaaten versuchen, das Problem zu lösen, während sich die anderen verweigern. Damit verstärkt sich nämlich die bereits durch die Wirtschaftskrise 2009 begonnene Desintegration und Entsolidarisierung innerhalb der EU.
Statt dessen braucht es eine gemeinsame, solidarische Anstrengung. Doch die EU ist auf diese aktuelle Entwicklung Außenpolitisch überhaupt nicht vorbereitet. Die meisten Krisen liegen direkt vor unserer Haustür. Eine seit Jahren anhaltende Wirtschaftskrise auf dem westlichen Balkan, unfassbar grausame Kriege und Bürgerkriege im Nahen Osten wie in Afrika. Dazu kommt noch eine ebenso furchtbare Wirtschaftskrise auf dem afrikanischen Kontinent.
Die EU verharrt aber in einem Handlungsdefizit. Das wird noch verstärkt, weil ein zunehmendes Problem bei der Legitimität der EU durch die BürgerInnen gesehen wird. Folglich stärkt das in den einzelnen Staaten fremdenfeindlichen, nationalistischen Populismus.

Die Politik, sowohl auf euroäischer als auch nationalstaatlicher Ebene, muss den BürgerInnen endlich erklären, dass wir hohe Wirtschaftskraft, Wettbewerbsfähigkeit und soziale Sicherheit ohne Zuwanderung nicht erhalten können. Dies ist eben keine "Entweder-Oder-Frage". Das eine geht ohne das andere nicht. Einfaches Beispiel am Schluss: was wäre die deutsche Nationalmannschaft ohne die fussballspielenden Kinder von Migranten? Jedenfalls nicht zum vierten Mal Weltmeister.

Sonntag, 30. August 2015

Europäisch-Griechischer Optimismus

oder: Können diese Zahlen lügen?
 
Es scheint nicht aktuell zu sein, in die Debatte über die Griechenlandhilfe ist Stille eingekehrt. Ich denke aber, das dies ein Trugschluss ist. Zum einen endet mit dem neuen Hilfspaket die griechische Mentalität im Bezug auf das Verhalten gegenüber ihren "Regierenden" und derem Verwaltungsapparat nicht. Aus Jahrhundertealter Tradition hat sich bis Heute erhalten, das man möglichst keine Steuern und Abgaben zahlt und gleichzeitig jede Drachme (oder Euro) annimmt, die von eben diesem Staat zu bekommen ist. Das ist in Jahrtausenden der Fremdherrschaft gewachsen.
Zum anderen dürfen wir auch nicht den wahnsinnig irrlichternden europäischen "Finanzexperten" Glauben schenken. Alle bisherigen Maßnahmen waren ja keine Hilfen, sondern Irrsinns-Kredite mit langen Laufzeiten und Zinsen. Jeder beteiligte Geldgeber hat schön daran verdient. Beispiel: die staatliche KfW in Frankfurt hat 2014 schlappe 240 Millionen an Zinsen eingestrichen. Ähnliche Beträge gingen an die EZB oder auch an französische Banken.
Eigentlich war spätestens das zweite "Hilfspaket" so etwas wie Beihilfe zur Konkursverschleppung. Denn Fakt ist, das die Hilfsgelder dazu genutzt werden müssen, um Schulden und Zinsen zu tilgen und nur maximal 5% bei der Bevölkerung ankommt, nachdem man ihr vorher bis zu 20% an Rente oder Gehalt gekürzt hat. Wer das nicht glaubt, sollte die nachfolgenden Zahlen einfach mal nachrechnen.
Am 20. August zahlte Griechenland seine Schulden in Höhe von 3,2 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank - direkt aus der ersten Rate des dritten Hilfspakets. Allein im August erhält Griechenland aus diesem Paket 26 Milliarden Euro, bis Jahresende fließen weitere 23,7 Milliarden nach Athen.
Der gesamte Finanzbedarf wird von der Bundesregierung mit 91,7 Milliarden Euro für die nächsten drei Jahre beziffert (Beschlussantrag des BMF, Anlage 5a).
Mit 54,1 Milliarden Euro davon werden nur Schulden bezahlt. 25 Milliarden Euro bekommen die griechischen Banken als sog. Rekapitalisierung. 7 Milliarden Euro brauchen die Griechen um aktuell offene Rechnungen zu bezahlen. Bleibe noch 7,6 Milliarden Euro als "Puffer", über diesen Betrag kann Athen relativ frei verfügen.
Mitgerechnet? Da reibt man sich die Augen, denn das macht insgesamt 93,7 Milliarden Euro. Wie das geht? Die zwei Milliarden mehr sollen als Primärüberschuß (also einem Haushaltsüberschuß) aus dem griechischen Haushalt vor Abzug des Schuldendienstes kommen.
Das es überhaupt einen Überschuß gibt, bezweifeln alle renommierte Ökonomen. Man beachte: 2018 soll Athen einen Überschuß von 3,5% erreichen. So einen hohen Wert erreicht derzeit kein einziges EU Land. Zum Vergleich: Deutschland schaffte 2014 2,4 Prozent.
Um den Finanzbedarf Griechenlands zu decken, wurde ein Kreditpaket von 85,5 Milliarden Euro vereinbart. Mit besonders gutem Willen erhoffte Privatisierungserlöse in Höhe von 6,2 Milliarden sollten dann Teil der Summe sein und so den Bedarf verringern. So steht das im Beschluß des Euro-Sondergipfels vom 12. Juli 2015. Einen Monat später ist das Gegenteil der Fall: Erlöse aus dem Verkauf von Staatseigentum helfen jetzt lediglich die vorgegebene Höchstsumme von 88 Milliarden einzuhalten.
Damit sind wir dann endgültig bei der dritten, differierenden Endsumme angekommen, denn: 88 Milliarden plus 6,2 Milliarden Euro sind ja 94,2 Milliarden.
Fazit: auch dieses Paket mit all seinen Schönrechnereien wird aus meiner Sicht scheitern. Auch wenn ich nicht besonders viel vom Internationalen Währungsfonds halte, so stimme ich an einem Punkt Christine Lagarde zu: Griechenland wird nur aus diesem Kreditwahnsinn heraus kommen, wenn das Land einen sehr deutlichen Schuldenschnitt bekommt.

Freitag, 28. August 2015

Das Rechnet sich!

oder: Warum Flüchtlinge so wertvoll sind.

Nehmen sie wirklich Arbeitsplätze weg? Schaden sie tatsächlich der deutschen Wirtschaft? Und stimmt das wirklich dass sie so viel Geld vom Staat bekommen?
Dazu gibt es interessante Zahlen, die wir als deutsche Bundesbürger genau lesen sollten. Elf Zahlen, elf Antworten:

6.500.000
Menschen - so viele Arbeitskräfte fehlen der deutschen Wirtschaft in den kommenden zehn Jahren, wenn es keine Zuwanderung gäbe. Deutschland (über-)altert, die Zahl der Erwerbsfähigen sinkt dramatisch. Betriebe hätten kaum noch Auswahl bei Bewerbern, oft sogar gar keine. Die Produktivität in den Unternehmen würde sinken, damit auch das Wirtschaftswachstum.  (laut Prognose des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)

37.101
So viele Ausbildungsstellen konnten letztes Jahr nicht besetzt werden. Da wundert es nicht, dass hochrangige Wirtschaftsvertreter fordern, dass der Zugang zur Berufsausbildung für Flüchtlinge erleichtert wird.

86,7

Prozent der aus Syrien nach Deutschland geflohenen Menschen haben hier Asyl erhalten. Da dort unzweifelhaft ein grauenhafter Bürgerkrieg wütet, kann bei syrischen Flüchtlingen ein vereinfachtes Asylverfahren durchgeführt werden. Fast alles Syrer haben eine sehr gute Schulbildung, viele ein abgeschlossenes Universitätsstudium und finden dann schnell einen Arbeitsplatz.

0,9

Prozent der Flüchtlinge haben einen Vollzeitjob, 1,5 Prozent einen Teilzeitjob (laut Bundesamt für Statistik, 2013). Das nur so wenige arbeiten, liegt fast ausschließlich an den sehr hohen Hürden. Bis Flüchtlinge eine Arbeit annehmen dürfen, ist ein endlos langer Weg. So lange das Asylverfahren läuft oder Flüchtlinge nur geduldet sind, dürfen sie keine Arbeit annehmen. Nur wenn die örtliche Arbeitsagentur und die Ausländerbehörde zustimmen, dürfen sie frühestens nach drei Monaten sie auf Arbeitssuche gehen. Nur wenn kein Deutscher oder kein EU Bürger für die Stelle in Frage kommt (prüft die Agentur für Arbeit), bekommt ein Flüchtling die Stelle. Bedeutet aber auch: kein Asylbewerber kann einem Deutschen den Arbeitsplatz wegnehmen, dass ist nichts als ein Stammtischgerücht.

2.000.000.000
Euro. Das ist die Summe der Beiträge, die alle in Deutschland lebenden Ausländer (also alle Menschen ohne deutschen Pass) innerhalb eines Jahres in die deutschen Sozialkassen eingezahlt haben. Das hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung vor kurzem berechnet. Danach zahlte jeder dieser Menschen durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an Leistungen vom Staat erhalten hat.
Dazu eine kleine Hochrechnung: wenn zukünftig pro Jahr mindestens 20.000 Menschen nach Deutschland zuwandern, 30 Prozent davon hoch- und 50 Prozent mittelqualifiziert sind, würde das den deutschen Steuerzahler um mehr als 400 Euro pro Jahr entlasten.

5,3
Monate dauert durchschnittlich ein Asylverfahren. Die deutschen Behörden haben also das Verfahren um ca. 2 Monate beschleunigt. Die zusätzlich geschaffenen neuen Stellen beim Bundesamt für Migration haben also geholfen, reichen aber nicht aus, denn die Zahl der bis Jahresende nicht bearbeitet Anträge wird sich bis Ende 2015 nach sechs Jahren fast verzehnfachen. Gegen Ende 2014 waren es noch 170.000 Anträge, allein im ersten Halbjahr 2015 gingen mehr als 230.000 Anträge ein.

1.491.289.000

Euro haben die Bundesländer 2013 für Leistungen an Asylberwerber ausgegeben. Den größten Anteil daran hatte Nordrhein-Westfalen, dann folgte Bayern. Als Vergleich: Zu Beginn der 90er Jahre kamen sehr viele Flüchtlinge vom Balkan hierher. Damals wurden mehr als 2,8 Milliarden Euro für die Flüchtlinge ausgegeben, also mehr als doppelt so viel.
Selbst wenn die Asylbewerberzahlen (und damit auch die Ausgaben) sich dieses Jahr verdoppeln sollten, muss man die Ausgaben mal mit anderen Bereichen des Bundeshaushalts vergleichen: die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") kostet unseren Staat zum Beispiel mehr als zwölfmal (!) soviel.

140
Euro Taschengeld bekommt ein Asylbewerber monatlich. Das sind 4,66 Euro am Tag. Essen, Kleidung und Hygieneartikel werden durch Erstaufnahme- oder Gemeinschaftsunterkünfte gestellt. Alles andere muss von den 4,66 Euro selbst bezahlt werden. Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre bekommen zwischen 82 und 90 Euro, also zwischen 2,73 und 3,00 Euro täglich.
Flüchtlinge, die nicht in einem Heim wohnen, bekommen ein wenig mehr: Erwachsene 212 Euro monatlich (= 7,06 Euro täglich) für alle unter 18 sind es zwischen 130 und 194 Euro monatlich (= 4,66 bis 6,46 Euro täglich). Das muss dann allerdings auch für alle Ausgaben reichen. Essen, Kleidung, Waschpulver, Duschgel, Kochtöpfe, Bettlaken usw. müssen davon bezahlt werden.

1

Woche wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im August Anzeigen u.a. auf Facebook geschaltet, die die Flüchtlinge aus den Ländern im Westbalkan abzuschrecken. Besonders für Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonia, Montenegro und Serbien wurde angezeigt, dass es für Flüchtlinge von dort praktisch keine Aussicht auf Asyl in Deutschland besteht. Die Ablehnungsquote liegt da bei 99%.

40,2
Prozent der Asylbewerber klagen gegen Entscheidungen zu ihrem Asylgesuch. Besonders häufig klagen Menschen aus dem Kosovo, Mazedonien und Somalia.


Fazit:
Unter dem Strich können wir also eingentlich froh sein, dass so viele Menschen aus den Krisengebieten auf der Welt nach Deutschland kommen wollen. Letzten Endes tragen sie deutlich mehr zum gesamt-gesellschaftlichen Wohlstand bei als sie uns kosten. Sie sind auch Teil der deutschen Wirtschaftserfolgsgeschichte, denn ohne die vielen hier arbeitenden Ausländer wäre die Produktivität der deutschen Wirtschaft längst stark zurück gegangen. Deshalb sind Hilfen für Flüchtlinge nicht nur aus humanitären Gründen wichtig, sie sind auch sinnvolle, geldwerte Investitionen.

Mittwoch, 26. August 2015

Gestern Lampedusa, heute Kos

Alle Staaten der EU stehen in der Pflicht!

Wer jetzt immer noch glaubt, dass sich die Flüchtlingskrise (viele sehen gar eine Völkerwanderung) sich nach wie vor mit Nationalstaatlichen Mitteln lösen lässt, ist auf dem Holzweg. Das Ausmaß dieser Flüchtlingswelle überfordert letzten Endes den einzelnen Staat.
Bilder gestrandeter Flüchtlinge und hilfloser Inselbewohner, egal ob Lampedusa oder aktuell Kos, zeigen das überdeutlich. Europa muss endlich als Ganzes die Aufnahme der Flüchtlinge in Angriff nehmen. Die Aufnahme von Zehntausenden, die über das Mittelmeer flüchten darf nicht länger einzelnen Regierungen oder gar Bürgermeistern überlassen werden.

Das ist ungerecht, schändlich und dumm.
Ungerecht, weil aktuell nur fünf EU Staaten, ohne etwas dafür zu können, Ziel des gesamten Flüchtlingsstrom sind. Diese riesige Zahl von Verfolgten und Hungernden muss auf alle EU Staaten verteilt werden, wenn dieses Europa seinen eigenen sozialen und ethischen Standards Leben einhauchen will.
Schändlich ist, dass die aktuellen Bilder und Filmberichte von einer grausamen Notlage zeugen, denen aber nicht angemessen geholfen wird. Abertausende Menschen, darunter viele Kinder und Jugendliche, die in Europa wochenkang in brütender Hitze in provisorischen Zelten oder unter Bäumen leben und auf Almosen angewiesen sind, denen es an Wasser und Nahrung fehlt und denen keinerlei santitäre Anlagen zur Verfügung stehen. Das ist auf keinen Fall entschuldbar, es ist eine Schande.
Dumm ist, weil in den alleingelassenen, aufnehmenden Ländern die Stimmung umkippen kann. Das nutzt in Italien der "Lega Nord", in Griechenland der "Goldenen Morgenröte" oder in Deutschland der "NPD". Kurz gesagt, den rechten Rassisten. Und Länder, die sich jetzt der Hilfeleistung verweigern, wie z.B. Großbritannien - Stichwort Ärmelkanal, vergessen, dass sie schon bald selbst Hilfe brauchen können.

Ganz schlimm ist aber, dass dieser Notfall nicht plötzlich vom Himmel gefallen ist. Experten haben seit Monaten, teils Jahren vor dem massenhaften Ansturm von Flüchtlingen gewarnt. Deshalb steht ganz Europa in der Verantwortung - und zwar sofort. Es reicht aber nicht, mal eben ein paar Millionen nach Rom oder Athen zu überweisen und die dortigen Regierungen dann abarbeiten zu lassen.
Hier geht es um sofortige Nothilfe, wie nach einem Erdbeben, wo die internationale Solidarität immer wieder beeindruckend groß ist. Warum denn bitte nicht bei dieser Flüchtlingskatastrophe? Waru gibt es keine schnelle Eingreiftruppe, die den überforderten Ländern und Gemeinden mit Technikern, Ärzten, erfahrenen Krisen-KoordinatorInnen und Lebensmitteln hilft? Nur weil alle fürchten, mit echter Hilfe noch mehr Menschen zur Flucht zu motivieren? Wenn so ein Kalkül dahnter steckt, ist das mehr als zynisch. Sicher kann man in der EU über langfristige Antworten auf diese Flüchtlingskrise oder unterschiedliche Aufnahmekapazitäten diskutieren.
Doch das gibt uns allen nicht das Recht, diesen Menschen in Not die Hilfe zu verweigern.

Samstag, 9. Mai 2015

"Arbeitsmarkt: Beste Märzquote seit Jahren" (1.4.15), "Jobcenter: Kosten für Verwaltung sind zu hoch" (31.3.15) und "Zahl der älteren Hartz-IV-Bezieher steigt"

Drei Meldungen zu einem großen Thema: Arbeitslosigkeit, deren Folgen und der gesellschaftliche Umgang damit.

Sie beantworten gleich mehrere Fragen und liefern den Nachweis, dass Deuschland mit einer Grundsicherung deutlich besser fahren würde.

Rein zahlenmäßig betrachtet ist die Arbeistlosenquote niedrig wie lange nicht mehr.
Der Preis: ca. 3 Mio. Niedriglöhner. Die Meisten stocken über Hartz-IV auf, weil sie von ihrem Vollzeitjob nicht leben können. Gleichzeitig rasen sie in Schussfahrt auf die absolute Altersarmut zu. Diese Menschen muss man aber zu den Arbeitslosen rechnen. Ade gute Quote!
Betrachtet man die Arbeitslosenstatistik ein wenig genauer, wird sie zum Schrecken. Besonders ältere Arbeitnehmer sind zunehmend arbeitslos. Die Quote der arbeitslosen Menschen ab 55 Jahren stieg in vier Jahren um satte 24%! Ähnlich sieht es bei anderen gesellschaftlichen Gruppen aus.
Auch bei Menschen mit Behinderung oder MigrantInnen sind die Beschäftigungsquoten auf Talfahrt.
Paralell dazu erfährt man, dass die Jobcenter allein im Jahr 2014 522 Mio. Euro (!) aus dem Etat für Aus- und Fortbildung von Hartz-IV Beziehern zweckentfremdet haben.
Zu stoppen ist diese politische und verwaltungstechnische Geisterfahrt so nicht.

Es wäre preiswerter und sinnvoller, allen Menschen eine ausreichende Grundsicherung zu zahlen und den Verwaltungsmoloch aus Agentur für Arbeit, Jobcentern und Grundsicherungsstellen abzuschaffen.
An deren Stelle brauchen wir stattdessen Vermittlungs- und Bildungsprofis, die ein individuelles, passgenaues Matching von offenen Stellen und Arbeitssuchenden betreiben.

Dänemark macht das seit langem vor. Vergleichszahlen dazu: in Deutschland  sind 90% der Mitarbeiter in der Agentur für Arbeit mit Verwaltungsarbeit befasst, 10% mit der Vermittlung. In Dänemark sind 90% in der Vermittlung tätig, 10% in der Verwaltung. Und der "Apparat" ist deutlich kleiner. Dort ist kein Arbeitsloser länger als 6 Wochen arbeitslos. Hier ist jeder im Schnitt 6 Monate und länger arbeitslos.

Immerhin zeigen die drei Meldungen, wie sehr wir alle mit diesen undifferenzierten Zahlen hinter's Licht geführt werden.

Donnerstag, 12. Februar 2015

Griechenland, die EU und die "Finanzkrise"

Den meisten von der Finanzkrise in den südeuropäischen Ländern betroffenen Menschen geht es sehr schlecht. Diese Menschen dienen als Sündenböcke für die Wirtschafts- und Finanzkonzerne, der Banken, dem einen Prozent der Reichsten - eben jenen, denen sowieso schon fast alles gehört. Aber die wollen immer noch mehr, noch reicher werden und uns dazu weiter gewaltig über das Ohr hauen. Das alles mit gütiger Mithilfe der in der EU und ihren Mitgliedsstaaten verantwortlichen PolitikerInnen sowie der Europäischen Zentralbank als deren ausführendem Organ.

Griechenland und seinen BürgerInnen kann man aktuell nur gratulieren. Mit der letzten Wahl haben die BürgerInnen sich mit deutlicher Mehrheit gegen eine weitere Volksverdummung gestellt. Sie wehren sich damit gegen die "alternativlose" Finanzpolitik und die damit verbundene Propaganda der Parteien und PolitikerInnen. Die Aufregung ist groß, denn diese Wahl gefährdet die Pfründe des Finanzkapitals und der damit verbundenen Politik. Wenn weitere Länder bei Wahlen den Griechen folgen, wird der unsinnige Verschuldungsweg ein Ende finden.

Denn "gerettet" wurden und werden nicht die Ersparnisse der BürgerInnen. Die nimmt man ihnen jetzt schon schleichend weg. Gerettet werden die Vermögenden, die bei Heute 0,0% zur Bewältigung der Krise beigetragen haben sondern sich statt dessen an der Krise bereichern. Die monatlich für ca. 60 Milliarden von der EZB angekauften Staatsanleihen gehören nämlich den Wirtschafts- und Finanzkonzernen, den Banken und dem einen Prozent der Reichsten. Die Menschen in den Krisenländern der EU bekommen außer immer größerer Arbeitslosigkeit und Not nichts davon.