Sonntag, 25. Juli 2021
Frontex im rechtsfreien Raum?
Freitag, 23. Juli 2021
Industrie gegen Hochwasserschutz
Der bundesweite Raumordnungsplan für den Hochwasserschutz wurde vergangene Woche beschlossen. Das klingt zäh, nach den katastrophalen Geschehnissen in Rheinland-Pfalz und NRW hat er aber eine große Bedeutung: der neue Plan soll „zum Schutz der Menschen und Umwelt entlang unserer Gewässer“ dienen, wie es darin heisst.
„Anlagen von nationaler und europäischer Bedeutung“ sollen so besser geschützt werden, wenn es wieder zu extremen Hochwasser kommt. Auch Strom, Mobilfunk, Straßen- und Bahnnetze sollen so eine Naturkatastrophe durchhalten können.
Klingt gut, ist aber ein zahnloser Tiger geworden. Das Vorhaben wurde schon in der Entstehung vom Bundesland NRW, vor allem aber von der Industrie, massiv bekämpft. Der Bundesverband der Deutschen Industrie befürchtete "massive negative Auswirkungen auf die Entwicklung und das Fortbestehen des Wirtschaftsstandorts Deutschland", der Verband der chemischen Industrie bezeichnete den Entwurf im Mai als "nicht erforderlich und zielführend", beide lehnten ihn ab.
Die Verbände waren damit erfolgreich: so werden Betriebe im Plan nicht mehr genannt, die unter die Industrieemissions- sowie die sogenannte Seveso-III-Richtlinie fallen. Ausgerechnet die Firmen, die hoch-gefährliche Stoffe einsetzen, die, wie gerade erlebt, bei Unwetterkatastrophen schwerste Schäden für Mensch und Umwelt verursachen. Zusätzlich gibt es erhebliche Ausnahmen in Risikogebieten außerhalb von Überschwemmungsgebieten, die für Übertragungsstromnetze gelten, obwohl die zur kritischen Infrastruktur gehören. Das zuständige NRW-Ministerium sah für den Plan „keine ausreichende Veranlassung“ und konnte „keinen Mehrwert“ erkennen.
Ich meine: deutlicher und perfider kann Lobbyismus nicht sein. Hier wird der Schutz von Menschen und deren Hab und Gut auf dem Altar der Industrieinteressen geopfert. Wir brauchen dringend ein wirksames Transparenzgesetz.
Skandale ohne Ende
Der aktuelle Bericht des EU-Parlaments über Europas Grenzschutzagentur Frontex zeigt erneut skandalöse Zustände auf. Der Bericht zeigt, dass Frontex-Chef Fabrice Leggeri seine Amtspflichten grob vernachlässigt hat. Die Europaparlamentarierinnen und -Parlamentarier halten fest, dass Frontex-Beamte von illegalen Rückführungen von Schutzsuchenden aus Griechenland in die Türkei, sogenannte Pushbacks, wussten, aber nichts dagegen unternahmen und, schlimmer noch, dass Leggeri belastendes Material vernichtete.
Frontex hat sich zur Komplizin bei Menschenrechtsverstößen entwickelt. Pushback ist ein Vorgang, der nach europäischem Recht eindeutig illegal und fast immer gewaltsam ist. Der Bericht des EU-Parlaments hält von amtlicher Stelle fest, dass Frontex Menschenrechtsverstöße an Europas Grenzen vertuscht, dass sie Vergehen durch nationale Sicherheitskräfte deckt.
Doch der eigentliche Skandal ist wie immer ganz oben angesiedelt. Die politisch Verantwortlichen sind offenbar nicht bereit, Konsequenzen aus dem Frontex-Skandal zu ziehen. Für die Ein- oder Abberufung des Behördenchefs ist der Frontex-Verwaltungsrat zuständig. Der setzt sich überwiegend aus Vertreterinnen und Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammen, auch Innenminister Horst Seehofer gehört dazu. Dieser ministerielle Kreis ist offensichtlich ganz froh über das Wirken von Frontex Chef Leggeri, der es bei der Behandlung von Flüchtlingen an Europas Grenzen nicht so genau nimmt.
Ich stelle fest, das sich in Europa ein politischer Konsenz durchgesetzt hat, nachdem Flüchtlinge auch mit unerlaubten Mitteln von der EU fernzuhalten sind. Die Reaktion der Verantwortlichen auf die Frontex Skandale zeigt, dass sie bereit sind, die eigenen Normen und Werte ausser Kraft zu setzen.
Als überzeugter Europäer fordere ich dazu auf diese Menschenrechtsverstösse sofort zu beenden und die dafür Verantwortlichen zu entlassen.
Nur privater Solarstrom?
Baden-Württenberg, das Technologie- und Industrieland,will bis 2040, also fünf Jahre vor dem Bund, klimaneutral sein. Die dortige Grün-Schwarze Landesregierung strebt damit national und international eine Vorbildrolle bei der Klimapolitik an.
Ab 1. Januar 2023 müssen Hausbesitzer eine Photovoltaikanlage aufs Dach bauen lassen, wenn sie den Dachstuhl sanieren. Für den Ausbau der Windkraft sollen 2% der Landesfläche reserviert werden. Dafür sollen Wissenschaft und Unternehmen technische Lösungen entwickeln die die Klimaschutzbemühungen auf nationaler Ebene voranbringen und exportierbar sind.
Wir finden das grundsätzlich gut. Gleichzeitig malt uns dieses Vorhaben eine Menge Fragezeichen auf die Stirn. Warum müssen eigentlich nur private Hausbesitzer ihre Dächer mit Photovoltaik ausrüsten? Gerade im Hochtechnologieland BW gibt es riesige Produktionshallen auf denen man problemlos entsprechend riesige Solarstromanlagen installieren könnte. Warum müssen Unternehmen und Wissenschaft im Ländle dafür erst mal technologische Lösungen entwickeln? Hat die Landesregierung die Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien verschlafen?
Noch verräterischer ist aber der Abschnitt des Gesetzes, der festlegt, dass das Bundesland bis zum Jahr 2040 „in der Bilanz treibhausneutral zu sein habe“. Das ist eine Mogelpackung, denn die Senkung der CO2-Emissionen kann mit Ausgleichsmaßnahmen verrechnet werden.
DEMOKRATIE IN BEWEGUNG findet: es ist ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Leider werden dabei die Unternehmen ausgespart und das hohe Ziel der CO2 Reduzierung bis 2040 nur mit Hilfe von gekauften Zertifikaten erreicht.
Gummistiefelpeinlichkeiten
Die Unwetterkatastrophe mit Überflutungen, zerstörten Häusern und Toten hat ein unglaubliches Ausmaß angenommen.
Doch da kommt zu allem Überfluss auch noch der ewige "Gummistiefel mit Anzug" Auftritt einiger Wahlkämpfer dazu. Und ja, nicht gendern ist hier Absicht, denn es sind die Herren. Es ist ok sich vor Ort ein Bild zu machen, es ist auch ein feiner Zug, wenn Politiker*innen den betroffenen Menschen echte Anteilnahme aussprechen und dafür sorgen, das schnell und unbürokratisch geholfen wird.
Aber solche Katastrophen für den Wahlkampf auszuschlachten geht einfach gar nicht. Am Freitag Abend machte Olaf Scholz den Anfang. Nach seinem Besuch in Rheinland-Pfalz zurück in seinem Urlaubsort beantwortete er zunächst sichtlich um Anteilnahme bemüht die Fragen des Reporters. Doch bei der Frage nach der eigenen bzw. der SPD Verantwortung ging es dann schief. 2 Minuten lang plapperte er Platitüden aus dem Wahlprogramm herunter statt die Frage nach der politischen Verantwortung für die Versäumnisse beim Klimaschutz der letzten Jahre zu beantworten.
Bis dahin blieb die Hoffnung, das es wenigstens beim üblichen Gummistiefel-Anzugstourismus bleiben würde. Aber dann kam Armin Laschet. Dem war wohl die Rede von Bundespräsident Steinmeier zu langweilig, die laufenden Kameras ignorierte die rheinische Frohnatur dann auch. Das beinahe schenkelklopfende eher dem Karneval angemessene Gelächter war eines Kanzelkandidaten schlicht unwürdig und verhöhnte die Opfer der Unwetterkatastrophe. Die folgende dürre Entschuldigung machte diesen peinlichen Auftritt nur noch schlimmer.
DEMORATIE IN BEWEGUNG empfiehlt: bleibt doch lieber mit eurem Tross aus Referent*innen und Sicherheitskräften daheim im Ministerium und bereitet echt schnelle und unbürokratische Hilfe vor. Das brauchen die Menschen vor Ort. Alternativ würden Gummistiefel in Kombination mit Schaufel und harter Arbeit auch helfen.