Freitag, 20. Dezember 2013
Mittwoch, 24. Juli 2013
30 Millionen für 174 Schwimmer mehr - oder Kassel, deine Bäder
Nach langer Zeit besuchte ich am Montag (22.7.) mal wieder das Wilhemshöher Bad. Welch ein Schock.
Hier ist die Zeit stehen geblieben. Alle Umkleideräume geschlossen, statt dessen zwei Container, die mehr schlecht als recht zum Umziehen herhalten müssen. Die Gesamt-Anlage macht einen ungepflegten, weil ungeliebten Eindruck. Hier wurde ganz offensichtlich über Jahrzehnte bewusst auf den Verfall gesetzt, das Eigentum der Bürger schwer geschädigt.
Und trotzdem, das Freibad war an diesem ganz normalen Arbeitstag gut besucht. Mir fielen die Zeiten ein, in denen das gesamte Gelände und die Gebäude in einem guten Zustand waren. Kann bald 30 Jahre her sein, aber da war das Gelände rappelvoll und im Becken gab es nur noch Stehplätze.
Mittwoch nun die "Rekordmeldung". Das neue Auebad hat nach Eröffnung bei Kosten von deutlich über 30 Millionen immerhin 174 Besucher mehr als das völlig vernachlässigte Bad in Wilhelmshöhe.
Betrachtet man noch das entsprechende Bild in der HNA vom 22.7. weiß man aber auch, dass bei den Besucherzahlen in der Aue kaum mehr drin ist. Die Grünflächen sind dicht belegt, die Beckenränder dicht besetzt, schatten- spendende Bäume offensichtlich nicht vorgesehen. So wird es am Ende wohl im Sommer bei einem kleinen Plus von 2-300 mehr Besuchern bleiben. Und das zu einem doppelt hohen Preis.
Zunächst vernachlässigt man ein beliebtes Freibad bis in die Kernsubstanz um es dann zu schließen. Und man baut ein neues "Kombi-Bad", dass von der ersten 20 Millionen Planung nun glücklich bei 32 Mio Kosten ankam.
Wir dürfen schon gespannt auf die Rekordbesucherzahlen im Winter sein: Auebad 1.000 Besucher (ich bin mal Optimist), Freibad Wilhelmshöhe 0 Besucher, aber 2.000 Demonstranten gegen die Schließung und den Verkauf als Baugelände.
Hier ist die Zeit stehen geblieben. Alle Umkleideräume geschlossen, statt dessen zwei Container, die mehr schlecht als recht zum Umziehen herhalten müssen. Die Gesamt-Anlage macht einen ungepflegten, weil ungeliebten Eindruck. Hier wurde ganz offensichtlich über Jahrzehnte bewusst auf den Verfall gesetzt, das Eigentum der Bürger schwer geschädigt.
Und trotzdem, das Freibad war an diesem ganz normalen Arbeitstag gut besucht. Mir fielen die Zeiten ein, in denen das gesamte Gelände und die Gebäude in einem guten Zustand waren. Kann bald 30 Jahre her sein, aber da war das Gelände rappelvoll und im Becken gab es nur noch Stehplätze.
Mittwoch nun die "Rekordmeldung". Das neue Auebad hat nach Eröffnung bei Kosten von deutlich über 30 Millionen immerhin 174 Besucher mehr als das völlig vernachlässigte Bad in Wilhelmshöhe.
Betrachtet man noch das entsprechende Bild in der HNA vom 22.7. weiß man aber auch, dass bei den Besucherzahlen in der Aue kaum mehr drin ist. Die Grünflächen sind dicht belegt, die Beckenränder dicht besetzt, schatten- spendende Bäume offensichtlich nicht vorgesehen. So wird es am Ende wohl im Sommer bei einem kleinen Plus von 2-300 mehr Besuchern bleiben. Und das zu einem doppelt hohen Preis.
Zunächst vernachlässigt man ein beliebtes Freibad bis in die Kernsubstanz um es dann zu schließen. Und man baut ein neues "Kombi-Bad", dass von der ersten 20 Millionen Planung nun glücklich bei 32 Mio Kosten ankam.
Wir dürfen schon gespannt auf die Rekordbesucherzahlen im Winter sein: Auebad 1.000 Besucher (ich bin mal Optimist), Freibad Wilhelmshöhe 0 Besucher, aber 2.000 Demonstranten gegen die Schließung und den Verkauf als Baugelände.
Potz-Blitz
Anderen Orts würde man diese Vorgehensweise als "beratungsresistent" bezeichnen.
Nicht so in Kassel.
Gerade erst entscheidet ein Gericht, dass Radarmessungen über externe Dienstleister nur unter hoheitlicher Aufsicht zulässig sind, da werden erneut solche abstrusen Pläne aus dem Ordnungsamt bekannt.
Aus den öffentlich gemachten Unterlagen geht jetzt schon hervor, dass man im Ordnungsamt nicht über die nötigen Kompetenzen und ausreichend Personal verfügt. Diese Angaben beziehen sich zwar auf die notwendige europaweite Ausschreibung. Aber wenn es da schon am Know How fehlt? Mit der Beaufsichtigung der bisher fünf Blitzer eines externen Dienstleisters waren die Mitarbeiter des zuständigen Dezernats doch schon überfordert.
Was aber passiert dann bei der fünffachen Anzahl? Beängstigend ist auch, das man eine Zahl für künftige Radarmessgeräte nennt, aber keinerlei Angaben zu den möglichen Standorten für 20 weitere Geräte macht. Hier wird der dritte vor dem ersten Schritt gemacht.
Erst das Konzept, dann eine Machbarkeitsstudie mit klaren Zielvorgaben, dann Ausschreibung und Umsetzung. Die beiden obersten Ziele müssen dabei sein: Gefahren- und Unfallschwerpunkte in den Griff bekommen und Betrieb und (!) Überwachung durch städtische Mitarbeiter, damit auch die gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsvorschriften eingehalten werden können.
Wem schon die Kompetenz für eine EU Ausschreibung fehlt, der sollte von so einem komplexen Vorgang lieber die Finger lassen.
Gerade erst entscheidet ein Gericht, dass Radarmessungen über externe Dienstleister nur unter hoheitlicher Aufsicht zulässig sind, da werden erneut solche abstrusen Pläne aus dem Ordnungsamt bekannt.
Aus den öffentlich gemachten Unterlagen geht jetzt schon hervor, dass man im Ordnungsamt nicht über die nötigen Kompetenzen und ausreichend Personal verfügt. Diese Angaben beziehen sich zwar auf die notwendige europaweite Ausschreibung. Aber wenn es da schon am Know How fehlt? Mit der Beaufsichtigung der bisher fünf Blitzer eines externen Dienstleisters waren die Mitarbeiter des zuständigen Dezernats doch schon überfordert.
Was aber passiert dann bei der fünffachen Anzahl? Beängstigend ist auch, das man eine Zahl für künftige Radarmessgeräte nennt, aber keinerlei Angaben zu den möglichen Standorten für 20 weitere Geräte macht. Hier wird der dritte vor dem ersten Schritt gemacht.
Erst das Konzept, dann eine Machbarkeitsstudie mit klaren Zielvorgaben, dann Ausschreibung und Umsetzung. Die beiden obersten Ziele müssen dabei sein: Gefahren- und Unfallschwerpunkte in den Griff bekommen und Betrieb und (!) Überwachung durch städtische Mitarbeiter, damit auch die gesetzlich vorgeschriebenen Betriebsvorschriften eingehalten werden können.
Wem schon die Kompetenz für eine EU Ausschreibung fehlt, der sollte von so einem komplexen Vorgang lieber die Finger lassen.
Samstag, 30. März 2013
Tauschringtypologien, Teil 2: Von OrganisatorInnen und Orga-Teams
Durch das Bundes-ArbeitsTreffen Tauschsysteme (BATT) 2012, seine Vor- und Nachbereitung und die Vorarbeiten zum BATT 2013 bin ich auch wieder mit den organisatorischen Besonderheiten in Tauschsystemen konfrontiert worden.
:: Grundsätzliches vorweg
Eigentlich ist es nichts besonderes, nichts ungewöhnliches: in jeder Firma, jedem Verein oder Verband, in jeder kommunalen oder auch Bundeseinrichtung gibt es immer und überall etwas zu organisieren. Ob das der täglich wiederkehrende Arbeitsalltag ist, ob eine wöchentliche Jour fix ansteht, eine Tagung, eine Messe, ein Jubiläum, ein Konzert, ein Projekt - immer muss das ja irgendwie organisiert werden. Mal von einem Menschen allein, mal von kleinen, mal von großen Teams. Mal werden sie von Vorgesetzten einfach bestimmt, mal werden sie gewählt, mal werden sie auch "ausgeguckt". Meist finden sich Menschen, die gerne etwas vorbereiten, organisieren und planen. Meist haben sie auch ein Talent dafür. In der Regel entstehen so großartige Veranstaltungen. Als TeilnehmerIn nimmt man dann teil, genießt es in der Regel, weil alles gut funktioniert, weil man etwas lernen kann, interessante Menschen kennen lernt oder auch wunderbare ReferentInnen da sind.
:: Die Tauschsysteme
Auch die wollen irgendwie organisiert sein. In den stürmischen (Neu-)Gründerjahren 94-96 dachten sehr viele, da muss man nicht viel organisieren. Das regelt sich am besten von allein. Tauschsysteme wollten außerdem anders sein, also sollte es auch keine der üblichen, oft auch als typisch deutsch fast verachteten Institutionen wie Verein, Vorstand, oder gar Geschäftsführung, SprecherIn oder so, geben. Klare Strukturen oder Regeln wurden oft gar nicht erst geschaffen. Damit sollte vor allem Basisdemokratie befördert werden. Alle sollten alles verantworten, organisieren, "machen". Hirarchien oder gar Machtstrukturen sollten sich gar nicht erst etablieren.
:: Die OrganisatorInnen
Naturtalente, sie waren plötzlich alle da. Tauschsysteme waren anders, niedrigschwelliger Zugang, wer sich engagierte wurde gern und sofort auch mit umfangreichen Aufgaben betraut. Mit Elan und großer Kreativität gingen sie ans Werk. Örtliche Veranstaltungen, Markttage, Regional, Landes- und Bundestreffen, Pressearbeit, Marktzeitung und vieles mehr. Hier durften Mitte der Neunziger Jahre viele, die sonst ausgegrenzt waren, aktiv eine gesellschaftliche Bewegung mitgestalten. Es war einfach, und das war ja auch die Grundidee. Jede/r kann mitmachen. Arbeitslose, MigrantInnen, Menschen mit Behinderungen, sie alle konnten ihre Organisationstalente einbringen. Und die machten das für die Idee, für das Tauschsystem. Viele offenbarten oft schon nach wenigen Wochen erstaunliche Fähigkeiten. So kam es, wie es kommen musste. Viele dieser OrganisatorInnen wurden auf Grund ihrer Talente und Fähigkeiten von Unternehmen und Verbänden "entdeckt". Das war toll, denn fast alle waren vorher arbeitslos. Ihr Engagement brachte Ihnen einen bezahlten Job ein. Oft sogar gut bezahlt, aber gleichzeitig fehlte dann die Zeit, sich weiter im Tauschsystem zu engagieren. Und in der Zeit kamen sie...
:: Die Orga-Teams
In der Form und auch mit diesem Namen gibt es das wohl nur in Tauschsystemen. Allein der Name schon. Ich dachte des öfteren daran, ihn zum Unwort des Jahres vorzuschlagen. Aber was ist ein Orga-Team eigentlich? Teams, die etwas organisieren, die findet man natürlich überall. In Tauschsystemen sind sie aber was besonderes. Denn sie bestehen fast aussschließlich aus selbstberufenen Orga(nisations)-Spezialisten. Speziell zu erkennen allein schon daran, dass das Wort Organisation immer zu "Orga" verstümmelt wird. Eine merkwürdige Entwicklung, hier tummelte sich plötzlich alles, was sich zu Größerem berufen fühlte. Sich einbringen, ganz ohne große Regeln oder Wahlen, gleichberechtigt in einem Orga-Team. Herrlich, so einfach - und so ganz ohne echte Verantwortung. Dafür aber häufig mit viel Macht.
Bald schon tauchten sie auf, die ersten "Funksprüche": "Hallo Orga, hier Basis. Könnt ihr uns hören? Wir finden, dass ihr abgehoben wie in einem Raumschiff ohne Funkverbindung über unsere Köpfe weg entscheidet. Schaltet mal den Buschfunk ein und kommt zum Mitgliedertreff." So oder ähnlich geisterten vielerorts Kommentare, Nachrichten, Mails, ja sogar verzweifelte Hilferufe durch die Szene.
Was war geschehen - oder geschieht noch? Die Mitglieder solcher Teams sind nie gewählt worden. Sie waren immer sehr aktiv, böse Zungen sagten auch hyperaktiv. Sie wollten alles schnell und auf einmal, sie hatten keine Zeit für Diskussionen oder Abstimmungen. Sie fragten nicht lang, sie machten.
Machen kam hier aber leider viel zu oft von Macht. Diese berühmt-berüchtigten Orga's waren gefüllt mit Menschen, die in anderen Organisationen, in denen klare demokratische Regeln festgelegt waren, chancenlos. Aber im Tauschsystem war's einfach. Notfalls wurden in endlosen Diskussionen aus Regeln eben "Spielregeln". Und an Spielregeln hält man sich nur so lange, wie man Spaß dran hat und sie bestimmen kann. Kaum kommt der erste "Funkspruch", gingen einige beleidigt auf Tauschstation, andere warfen so hin, dass ein Schrebenhaufen übrig blieb, wieder andere brachen erst noch mal einen Riesenstreit vom Zaun, der manchmal sogar das Tauschsystem zerstörte.
Und wenn sie nicht gestorben sind... mit Erschrecken habe ich jetzt nach vier Jahren Pause festgestellt, dass diese beiden Typologien immer noch da sind. Leider auch immer noch zu viele Orga-Teams.
:: Grundsätzliches vorweg
Eigentlich ist es nichts besonderes, nichts ungewöhnliches: in jeder Firma, jedem Verein oder Verband, in jeder kommunalen oder auch Bundeseinrichtung gibt es immer und überall etwas zu organisieren. Ob das der täglich wiederkehrende Arbeitsalltag ist, ob eine wöchentliche Jour fix ansteht, eine Tagung, eine Messe, ein Jubiläum, ein Konzert, ein Projekt - immer muss das ja irgendwie organisiert werden. Mal von einem Menschen allein, mal von kleinen, mal von großen Teams. Mal werden sie von Vorgesetzten einfach bestimmt, mal werden sie gewählt, mal werden sie auch "ausgeguckt". Meist finden sich Menschen, die gerne etwas vorbereiten, organisieren und planen. Meist haben sie auch ein Talent dafür. In der Regel entstehen so großartige Veranstaltungen. Als TeilnehmerIn nimmt man dann teil, genießt es in der Regel, weil alles gut funktioniert, weil man etwas lernen kann, interessante Menschen kennen lernt oder auch wunderbare ReferentInnen da sind.
:: Die Tauschsysteme
Auch die wollen irgendwie organisiert sein. In den stürmischen (Neu-)Gründerjahren 94-96 dachten sehr viele, da muss man nicht viel organisieren. Das regelt sich am besten von allein. Tauschsysteme wollten außerdem anders sein, also sollte es auch keine der üblichen, oft auch als typisch deutsch fast verachteten Institutionen wie Verein, Vorstand, oder gar Geschäftsführung, SprecherIn oder so, geben. Klare Strukturen oder Regeln wurden oft gar nicht erst geschaffen. Damit sollte vor allem Basisdemokratie befördert werden. Alle sollten alles verantworten, organisieren, "machen". Hirarchien oder gar Machtstrukturen sollten sich gar nicht erst etablieren.
:: Die OrganisatorInnen
Naturtalente, sie waren plötzlich alle da. Tauschsysteme waren anders, niedrigschwelliger Zugang, wer sich engagierte wurde gern und sofort auch mit umfangreichen Aufgaben betraut. Mit Elan und großer Kreativität gingen sie ans Werk. Örtliche Veranstaltungen, Markttage, Regional, Landes- und Bundestreffen, Pressearbeit, Marktzeitung und vieles mehr. Hier durften Mitte der Neunziger Jahre viele, die sonst ausgegrenzt waren, aktiv eine gesellschaftliche Bewegung mitgestalten. Es war einfach, und das war ja auch die Grundidee. Jede/r kann mitmachen. Arbeitslose, MigrantInnen, Menschen mit Behinderungen, sie alle konnten ihre Organisationstalente einbringen. Und die machten das für die Idee, für das Tauschsystem. Viele offenbarten oft schon nach wenigen Wochen erstaunliche Fähigkeiten. So kam es, wie es kommen musste. Viele dieser OrganisatorInnen wurden auf Grund ihrer Talente und Fähigkeiten von Unternehmen und Verbänden "entdeckt". Das war toll, denn fast alle waren vorher arbeitslos. Ihr Engagement brachte Ihnen einen bezahlten Job ein. Oft sogar gut bezahlt, aber gleichzeitig fehlte dann die Zeit, sich weiter im Tauschsystem zu engagieren. Und in der Zeit kamen sie...
:: Die Orga-Teams
In der Form und auch mit diesem Namen gibt es das wohl nur in Tauschsystemen. Allein der Name schon. Ich dachte des öfteren daran, ihn zum Unwort des Jahres vorzuschlagen. Aber was ist ein Orga-Team eigentlich? Teams, die etwas organisieren, die findet man natürlich überall. In Tauschsystemen sind sie aber was besonderes. Denn sie bestehen fast aussschließlich aus selbstberufenen Orga(nisations)-Spezialisten. Speziell zu erkennen allein schon daran, dass das Wort Organisation immer zu "Orga" verstümmelt wird. Eine merkwürdige Entwicklung, hier tummelte sich plötzlich alles, was sich zu Größerem berufen fühlte. Sich einbringen, ganz ohne große Regeln oder Wahlen, gleichberechtigt in einem Orga-Team. Herrlich, so einfach - und so ganz ohne echte Verantwortung. Dafür aber häufig mit viel Macht.
Bald schon tauchten sie auf, die ersten "Funksprüche": "Hallo Orga, hier Basis. Könnt ihr uns hören? Wir finden, dass ihr abgehoben wie in einem Raumschiff ohne Funkverbindung über unsere Köpfe weg entscheidet. Schaltet mal den Buschfunk ein und kommt zum Mitgliedertreff." So oder ähnlich geisterten vielerorts Kommentare, Nachrichten, Mails, ja sogar verzweifelte Hilferufe durch die Szene.
Was war geschehen - oder geschieht noch? Die Mitglieder solcher Teams sind nie gewählt worden. Sie waren immer sehr aktiv, böse Zungen sagten auch hyperaktiv. Sie wollten alles schnell und auf einmal, sie hatten keine Zeit für Diskussionen oder Abstimmungen. Sie fragten nicht lang, sie machten.
Machen kam hier aber leider viel zu oft von Macht. Diese berühmt-berüchtigten Orga's waren gefüllt mit Menschen, die in anderen Organisationen, in denen klare demokratische Regeln festgelegt waren, chancenlos. Aber im Tauschsystem war's einfach. Notfalls wurden in endlosen Diskussionen aus Regeln eben "Spielregeln". Und an Spielregeln hält man sich nur so lange, wie man Spaß dran hat und sie bestimmen kann. Kaum kommt der erste "Funkspruch", gingen einige beleidigt auf Tauschstation, andere warfen so hin, dass ein Schrebenhaufen übrig blieb, wieder andere brachen erst noch mal einen Riesenstreit vom Zaun, der manchmal sogar das Tauschsystem zerstörte.
Und wenn sie nicht gestorben sind... mit Erschrecken habe ich jetzt nach vier Jahren Pause festgestellt, dass diese beiden Typologien immer noch da sind. Leider auch immer noch zu viele Orga-Teams.
Samstag, 9. März 2013
Tauschring-Typologien, Teil I: Von Aktiven und Aktivisten
:: Vorgeschichte
Vier Jahre lang hatte ich mich weitgehend von den überegionalen Aktitäten bei Tauschsystemen ferngehalten. Dann kam im Februar 2012 die Anfrage, ob ich bereit sei, wieder an der Vorbereitung und Durchführung eines Bundes-ArbeitsTreffen-Tauschsysteme mitzuarbeiten.
Ich war skeptisch und habe erst mal darüber nachgedacht. Doch die Rückmeldungen aus dem BATT Orga Team 2012 waren angenehm, inzwischen war ich auch wieder im örtlichen Tauschring im Vorstand. Zeit hatte ich auch dafür, also sagte ich zu.
Es folgten Monate mit sehr hohem persönlichem Einsatz bei allen Teammitgliedern mit teilweise sehr heftigen, kontroversen Diskussionen. Mal ging es um Inhalte, mal um Ideen und Visionen, mal auch um Organisatorisches. Aber das ist eigentlich normal, mir war das jedenfalls nicht neu. Denn inzwischen war es das fünfte bundesweite Tauschsystemtreffen, bei dessen Vorbereitung ich dabei war. Diese Diskussionen sind letztlich immer dem gemeinsamen Ziel der Organisation eines gut besuchten und erfolgreichen Treffens untergeordnet.
Dem entsprechend begann auch die BATT 2012 Vorbereitung irgendwann sehr viel Freude zu machen. Ganz besonders ab dem Zeitpunkt, als die Zahlen der angemeldeten TeilnehmerInnen kontinuierlich und rasch anstiegen. Das zeigte, dass wir offensichtlich doch auf dem richtigen Weg waren.
:: Tolles BATT 2012
Dann war es soweit. BATT 2012 in Büdingen (28.-30.09.12 plus BATT-Aktiv vom 01.-03.10.12) war da. Alles wie immer. Die OrganisatorInnen waren früh da, so wie auch die meisten HelferInnen. Einige wenige TeilnehmerInnen waren auch früh angekommen, danach "trudelten" alle anderen so nach und nach bis Freitag Abend ein. Anmelden, Zimmer und Betten beziehen, jede Menge Wiedersehensfreude und Austausch.
Gemeinsames Abendessen, anschließend ein Impulsvortrag aus Österreich, danach gemütlicher Abend. Der Samstag war der Hauptarbeitstag. Start mit einem angenehmen Einstieg, der unterhaltsam und ermunternd feine Regeln für die Kommunikation in größerer Runde vermittelt hat. Das fand ich super, nach meinem Empfinden hat die dabei erzeugte positive und konstruktive Grundhaltung bis Sonntag Mittag angehalten.
So weit ich das dann am Samstag Abend aus den Gesprächen entnehmen konnte, gab es viel Zustimmung zu den angebotenen Themen, viel Neues war gemeinsam entwickelt worden. Selbst am späten Abend wurden noch gemeinsame Aktivitäten hinsichtlich der allgemeinen Internetpräsenz der Tausch-Idee verabredet. Sonntag Vormittag dann das große Plenum, Ergebnisse und neue Ideen wurden präsentiert, manches auch zur Abstimmung gestellt. Außerdem wurden ein paar Arbeitsgruppen gebildet. Nicht alles nur im Abnick-Modus, nein, hier und da gabe es auch kontroverse Diskussionen, aber immer mit einer Einigung. Dann am Ende die Frage, wie es denn 2013 weiter geht? Das Team 2012 solle doch weitermachen, war der erste Vorschlag. Es könnte sich ja auch erweitern, wenn noch weitere Aktive dazu stoßen wollten. Das Team (ich auch) hatte nicht unbedingt mit einer so eindeutigen Zustimmung gerechnet. Doch der langanhaltende Applaus machte klar, dieses Treffen war offensichtlich gelungen und die Arbeit sollte kontinuierlich weiter geführt werden.
Bis dahin eine Entwicklung, die fast an ein Märchen grenzte. Aber wie schön war das. Es gab auch wieder viele Menschen aus Tauschringen, die sich mindestens zu einem Schwerpunktthema über ihren Tauschring hinaus engagieren wollten. Ich hatte das BATT 2012 bis dahin als sehr harmonisch und auch erfolgreich empfunden und erlebt. Mit genau diesem Gefühl reiste ich Sonntag Nachmittag nach Hause. Und es geht doch voran, dachte ich. Kontinuität durch Arbeitsgruppen in mehreren grundlegend wichtigen Bereichen schien erreicht. Eine hohe Anzahl von Menschen, die etwas tun wollten, sogar das Thema Lobbyarbeit war nicht mehr tabu, sondern sogar erwünscht.
:: Übles Nachspiel
Aber damit war's dann auch schon am Ende. Schon die ersten Meldungen aus dem Kreis der in Büdingen verbliebenen TeilnehmerInnen (ca. 30% der gesamten TeilnehmerInnen), die an dem erstmals direkt anschließendem BATT-Aktiv teilnahmen, machten mich stutzig. Einiges wich doch stark von den Ergebnissen oder Vereinbarungen in der großen Runde bis Sonntag Mittag ab. Ich fand mich auch in Gruppen wieder, von deren Existenz ich nichts wusste. Gut, das lässt sich ja einfach regeln, dachte ich. Hab ich Interesse und Zeit, mache ich mit, ansonsten steig ich halt aus. Ich war immer noch fast euphorisch positiv gestimmt.
Nur eine Woche nach dem BATT 2012 war's mit der Euphorie bei mir engültig vorbei. Kontroversen ohne Ende über das weitere Vorgehen, eine Verweigerungshaltung, vor allem, wenn es um die finanzielle Abrechnung des BATT 2012 ging. Was war da eigentlich passiert? Nur Ahnungslosigkeit oder gar Hilflosigkeit in puncto Finanzabrechnung? Da hätte man dich die Hilfsangebote annehmen können. Dann folgte auch noch ein krasser Vertrauensbruch durch Weitergabe interner Texte, Entwürfe und einer Telefonnummer (krass weil eindeutig war, das all dies nicht weiter gegeben werden sollte - zumindest nicht ohne vorherige Abstimmung).
Inzwischen gibt es seit dem 15.12.2012 zwei Teams. Eins sieht sich nach wie vor in der Pflicht, BATT und BATT-Aktiv 2013 an einem Ort gemeinsam für alle TR Aktive durchzuführen.
Das zweite Team möchte das BATT-Aktiv jedoch abkoppeln und hat das längst de facto ohne Abstimmung getan. Klar, darüber kann und muss man eigentlich diskutieren können. Es gab aber gar keine Diskussion, sondern eine klammheimliche Abspaltung.
:: Aktive und Aktivisten
Das bringt mich wieder zurück zum Titel. Zum gefühlt hundertsten Mal stehe ich da und staune atemlos, staune und ärgere mich darüber, dass sich eigentlich auf der Ebene einer bundesweiten Entwicklung nichts getan hat. Sie bekämpfen sich immer noch, die Aktiven und die Aktivisten.
Die Aktiven sind die, die sich im Tauschring vor Ort besonders engagieren, die sich für demokratische Regeln einsetzen, die oft sehr altruistisch (Altruismus (lat. alter ‚der Andere‘) bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise) agiert. Leitungs- oder Vorstandsarbeit meist völlig ehrenamtlich macht. Darüber hinaus aber reist diese Spezies Tauschringmitglied auch gern zu bundesweiten Treffen, denn sie erhofft sich dort neue Erkenntnisse oder Ideen, mit denen sie daheim die Mitglieder des eigenen Tauschrings "beglücken" kann. Nein, das meine ich nicht negativ, bin nur nicht sicher, ob es der richtige Begriff ist. Sie kommen also zurück und präsentieren in ihrem Tauschring alles gerade neu erfahrene und erlebte. Sie stellen das auch meist als Veränderungen zur Abstimmung. Und ein paar dieser Aktiven sehen auch die Notwendigkeit, sich in die bundesweite Entwicklung einzubringen. Das machen die nicht für sich, sondern für den Tauschring in dem sie Mitglied sind und, natürlich, auch für alle anderen Menschen, die in einem Tauschring Mitglied sind. Und sie gehen davon aus, dass alles in so einem Gremium demokratisch und fair diskutiert und abgestimmt wird. Sie selbst wollen für sich weder Ämter noch Macht, sie sind mit anerkennendem Applaus schon ganz zufrieden.
Die Aktivisten sind da ganz anders "gestrickt". Sie sind scheinbar wie die Bienchen, huschen eigentlich von einer Gruppe, einem Verein oder einer AG zur nächsten. Sie sind schnell zu begeistern, wenn sie an einem Thema dran sind, entwickeln sie teilweise hyperaktive Züge. Es muss voran gehen, Zweifel oder die Notwendigkeit, sich mit anderen abzustimmen und Regeln einzuhalten, stören da nur. Klar, sie sind, wenn sie im Tauschring sind, beseelt von dieser Idee. Sie engagieren sich noch deutlicher als die Aktiven. Ideen müssen sofort umgesetzt werden, neue Gruppen werden zur Not auch ohne Zustimmung gegründet. Hauptsache, es geht schnell voran, voran allerdings immer auch in ihrem Sinne. Denn dies unterscheidet den Aktivisten vom Aktiven. Sie/er arbeitet eben nicht altruistisch, in Wirklichkeit verfolgt man immer auch eigene Ziele. Entweder grundsätzlich und verdeckt, aber an immer erster Stelle, oder zumindest parallel zu den Zielen, die auch andere mittragen können. Ganz vorne steht dabei jedoch das Streben nach Macht. Macht innerhalb der Gruppe, Macht mit Hilfe der Gruppe über größere Gruppen und, gar nicht so selten, verknüpft mit dem dann immer heimlichen Streben nach finanziellen Vorteilen. Können sich Aktivisten nicht komplett durchsetzen, spalten sie Gruppen gerne mal auf. Allerdings gelten Sie auch als sehr wankelmütig. Wenn sie auf starken Widerstand stoßen, geben sie früher oder später auf. Widerstand und demokratische Auseinándersetzung ist ihnen auf die Dauer zu aufwändig.
Diese beiden Sorten von Tauschsystem-Vorkämpfern haben sich auch 2012/2013 wieder hervor getan. Also alles wie gehabt. Und ich hatte tatsächlich gedacht, es hätte eine Entwicklung statt gefunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind möglich, aber keine Absicht.
Vier Jahre lang hatte ich mich weitgehend von den überegionalen Aktitäten bei Tauschsystemen ferngehalten. Dann kam im Februar 2012 die Anfrage, ob ich bereit sei, wieder an der Vorbereitung und Durchführung eines Bundes-ArbeitsTreffen-Tauschsysteme mitzuarbeiten.
Ich war skeptisch und habe erst mal darüber nachgedacht. Doch die Rückmeldungen aus dem BATT Orga Team 2012 waren angenehm, inzwischen war ich auch wieder im örtlichen Tauschring im Vorstand. Zeit hatte ich auch dafür, also sagte ich zu.
Es folgten Monate mit sehr hohem persönlichem Einsatz bei allen Teammitgliedern mit teilweise sehr heftigen, kontroversen Diskussionen. Mal ging es um Inhalte, mal um Ideen und Visionen, mal auch um Organisatorisches. Aber das ist eigentlich normal, mir war das jedenfalls nicht neu. Denn inzwischen war es das fünfte bundesweite Tauschsystemtreffen, bei dessen Vorbereitung ich dabei war. Diese Diskussionen sind letztlich immer dem gemeinsamen Ziel der Organisation eines gut besuchten und erfolgreichen Treffens untergeordnet.
Dem entsprechend begann auch die BATT 2012 Vorbereitung irgendwann sehr viel Freude zu machen. Ganz besonders ab dem Zeitpunkt, als die Zahlen der angemeldeten TeilnehmerInnen kontinuierlich und rasch anstiegen. Das zeigte, dass wir offensichtlich doch auf dem richtigen Weg waren.
:: Tolles BATT 2012
Dann war es soweit. BATT 2012 in Büdingen (28.-30.09.12 plus BATT-Aktiv vom 01.-03.10.12) war da. Alles wie immer. Die OrganisatorInnen waren früh da, so wie auch die meisten HelferInnen. Einige wenige TeilnehmerInnen waren auch früh angekommen, danach "trudelten" alle anderen so nach und nach bis Freitag Abend ein. Anmelden, Zimmer und Betten beziehen, jede Menge Wiedersehensfreude und Austausch.
Gemeinsames Abendessen, anschließend ein Impulsvortrag aus Österreich, danach gemütlicher Abend. Der Samstag war der Hauptarbeitstag. Start mit einem angenehmen Einstieg, der unterhaltsam und ermunternd feine Regeln für die Kommunikation in größerer Runde vermittelt hat. Das fand ich super, nach meinem Empfinden hat die dabei erzeugte positive und konstruktive Grundhaltung bis Sonntag Mittag angehalten.
So weit ich das dann am Samstag Abend aus den Gesprächen entnehmen konnte, gab es viel Zustimmung zu den angebotenen Themen, viel Neues war gemeinsam entwickelt worden. Selbst am späten Abend wurden noch gemeinsame Aktivitäten hinsichtlich der allgemeinen Internetpräsenz der Tausch-Idee verabredet. Sonntag Vormittag dann das große Plenum, Ergebnisse und neue Ideen wurden präsentiert, manches auch zur Abstimmung gestellt. Außerdem wurden ein paar Arbeitsgruppen gebildet. Nicht alles nur im Abnick-Modus, nein, hier und da gabe es auch kontroverse Diskussionen, aber immer mit einer Einigung. Dann am Ende die Frage, wie es denn 2013 weiter geht? Das Team 2012 solle doch weitermachen, war der erste Vorschlag. Es könnte sich ja auch erweitern, wenn noch weitere Aktive dazu stoßen wollten. Das Team (ich auch) hatte nicht unbedingt mit einer so eindeutigen Zustimmung gerechnet. Doch der langanhaltende Applaus machte klar, dieses Treffen war offensichtlich gelungen und die Arbeit sollte kontinuierlich weiter geführt werden.
Bis dahin eine Entwicklung, die fast an ein Märchen grenzte. Aber wie schön war das. Es gab auch wieder viele Menschen aus Tauschringen, die sich mindestens zu einem Schwerpunktthema über ihren Tauschring hinaus engagieren wollten. Ich hatte das BATT 2012 bis dahin als sehr harmonisch und auch erfolgreich empfunden und erlebt. Mit genau diesem Gefühl reiste ich Sonntag Nachmittag nach Hause. Und es geht doch voran, dachte ich. Kontinuität durch Arbeitsgruppen in mehreren grundlegend wichtigen Bereichen schien erreicht. Eine hohe Anzahl von Menschen, die etwas tun wollten, sogar das Thema Lobbyarbeit war nicht mehr tabu, sondern sogar erwünscht.
:: Übles Nachspiel
Aber damit war's dann auch schon am Ende. Schon die ersten Meldungen aus dem Kreis der in Büdingen verbliebenen TeilnehmerInnen (ca. 30% der gesamten TeilnehmerInnen), die an dem erstmals direkt anschließendem BATT-Aktiv teilnahmen, machten mich stutzig. Einiges wich doch stark von den Ergebnissen oder Vereinbarungen in der großen Runde bis Sonntag Mittag ab. Ich fand mich auch in Gruppen wieder, von deren Existenz ich nichts wusste. Gut, das lässt sich ja einfach regeln, dachte ich. Hab ich Interesse und Zeit, mache ich mit, ansonsten steig ich halt aus. Ich war immer noch fast euphorisch positiv gestimmt.
Nur eine Woche nach dem BATT 2012 war's mit der Euphorie bei mir engültig vorbei. Kontroversen ohne Ende über das weitere Vorgehen, eine Verweigerungshaltung, vor allem, wenn es um die finanzielle Abrechnung des BATT 2012 ging. Was war da eigentlich passiert? Nur Ahnungslosigkeit oder gar Hilflosigkeit in puncto Finanzabrechnung? Da hätte man dich die Hilfsangebote annehmen können. Dann folgte auch noch ein krasser Vertrauensbruch durch Weitergabe interner Texte, Entwürfe und einer Telefonnummer (krass weil eindeutig war, das all dies nicht weiter gegeben werden sollte - zumindest nicht ohne vorherige Abstimmung).
Inzwischen gibt es seit dem 15.12.2012 zwei Teams. Eins sieht sich nach wie vor in der Pflicht, BATT und BATT-Aktiv 2013 an einem Ort gemeinsam für alle TR Aktive durchzuführen.
Das zweite Team möchte das BATT-Aktiv jedoch abkoppeln und hat das längst de facto ohne Abstimmung getan. Klar, darüber kann und muss man eigentlich diskutieren können. Es gab aber gar keine Diskussion, sondern eine klammheimliche Abspaltung.
:: Aktive und Aktivisten
Das bringt mich wieder zurück zum Titel. Zum gefühlt hundertsten Mal stehe ich da und staune atemlos, staune und ärgere mich darüber, dass sich eigentlich auf der Ebene einer bundesweiten Entwicklung nichts getan hat. Sie bekämpfen sich immer noch, die Aktiven und die Aktivisten.
Die Aktiven sind die, die sich im Tauschring vor Ort besonders engagieren, die sich für demokratische Regeln einsetzen, die oft sehr altruistisch (Altruismus (lat. alter ‚der Andere‘) bedeutet in der Alltagssprache „Uneigennützigkeit, Selbstlosigkeit, durch Rücksicht auf andere gekennzeichnete Denk- und Handlungsweise) agiert. Leitungs- oder Vorstandsarbeit meist völlig ehrenamtlich macht. Darüber hinaus aber reist diese Spezies Tauschringmitglied auch gern zu bundesweiten Treffen, denn sie erhofft sich dort neue Erkenntnisse oder Ideen, mit denen sie daheim die Mitglieder des eigenen Tauschrings "beglücken" kann. Nein, das meine ich nicht negativ, bin nur nicht sicher, ob es der richtige Begriff ist. Sie kommen also zurück und präsentieren in ihrem Tauschring alles gerade neu erfahrene und erlebte. Sie stellen das auch meist als Veränderungen zur Abstimmung. Und ein paar dieser Aktiven sehen auch die Notwendigkeit, sich in die bundesweite Entwicklung einzubringen. Das machen die nicht für sich, sondern für den Tauschring in dem sie Mitglied sind und, natürlich, auch für alle anderen Menschen, die in einem Tauschring Mitglied sind. Und sie gehen davon aus, dass alles in so einem Gremium demokratisch und fair diskutiert und abgestimmt wird. Sie selbst wollen für sich weder Ämter noch Macht, sie sind mit anerkennendem Applaus schon ganz zufrieden.
Die Aktivisten sind da ganz anders "gestrickt". Sie sind scheinbar wie die Bienchen, huschen eigentlich von einer Gruppe, einem Verein oder einer AG zur nächsten. Sie sind schnell zu begeistern, wenn sie an einem Thema dran sind, entwickeln sie teilweise hyperaktive Züge. Es muss voran gehen, Zweifel oder die Notwendigkeit, sich mit anderen abzustimmen und Regeln einzuhalten, stören da nur. Klar, sie sind, wenn sie im Tauschring sind, beseelt von dieser Idee. Sie engagieren sich noch deutlicher als die Aktiven. Ideen müssen sofort umgesetzt werden, neue Gruppen werden zur Not auch ohne Zustimmung gegründet. Hauptsache, es geht schnell voran, voran allerdings immer auch in ihrem Sinne. Denn dies unterscheidet den Aktivisten vom Aktiven. Sie/er arbeitet eben nicht altruistisch, in Wirklichkeit verfolgt man immer auch eigene Ziele. Entweder grundsätzlich und verdeckt, aber an immer erster Stelle, oder zumindest parallel zu den Zielen, die auch andere mittragen können. Ganz vorne steht dabei jedoch das Streben nach Macht. Macht innerhalb der Gruppe, Macht mit Hilfe der Gruppe über größere Gruppen und, gar nicht so selten, verknüpft mit dem dann immer heimlichen Streben nach finanziellen Vorteilen. Können sich Aktivisten nicht komplett durchsetzen, spalten sie Gruppen gerne mal auf. Allerdings gelten Sie auch als sehr wankelmütig. Wenn sie auf starken Widerstand stoßen, geben sie früher oder später auf. Widerstand und demokratische Auseinándersetzung ist ihnen auf die Dauer zu aufwändig.
Diese beiden Sorten von Tauschsystem-Vorkämpfern haben sich auch 2012/2013 wieder hervor getan. Also alles wie gehabt. Und ich hatte tatsächlich gedacht, es hätte eine Entwicklung statt gefunden.
Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind möglich, aber keine Absicht.
Mittwoch, 6. März 2013
"Bibliotheken: Magistrat der Stadt Kassel will Bürgerentscheid im Juni"
Absicht oder Panne?
Nein, viel schlimmer. Tatsächlich verfolgt die Rot-Grüne Mehrheit in Kassel hier ganz eigene Ziele, ohne Rücksicht auf Verluste.
Allein die Kosten sprechen doch schon gegen den 30.06.13. Welch eine Geldverschwendung, welch eine Offenbarung. Erst unter den Rettungsschirm schlüpfen und dann bei der erstbesten Gelegenheit aus niederem politisschen Kalkül und ohne Not 250.000 Euro ausgeben?
Doch das ist ja nicht alles. Hier wird klar darauf spekuliert, dass so kurz vor den großen Schulferien einige Menschen mit nicht-schulpflichtigen Kindern schon oder noch in Urlaub sind, andere wegen des bevorstehenden großen Familienurlaubs wegen der Vorbereitungen den Wahltermin nicht wahrnehmen. Und dann steht natürlich die generelle Spekulation, dass bei einem singulären Termin deutlich weniger abstimmen, als würde man diese Abstimmung mit der Bundes- und Landtagswahl zusammen legen.
Nur gut, dass solche Tricks inzwischen eher das Gegenteil bewirken. Ich hoffe jedenfalls, das ganz besonders viele Kasseler BürgerInnen für den Erhalt der Bibliotheken stimmen. Übrigens: mit den 250.000 Euro könnte schon fast wieder ein 3/4 Jahr des Betriebs bezahlt werden.
Abgesehen davon ist der eigentliche Skandal, überhaupt auf die Idee einer Schließung zu kommen. Lesen bildet, öffentliche Bibliotheken sind in diesem Zusammenhang ungeheuer wichtig. Lesungen, Abendveranstaltungen, Kinderlesungen, alles mit oder ohne AutorInnen, Lesewettbewerbe, Bürgerbeteiligungen über Vereine, um das Personal zu entlasten und gleichzeitig die Attraktivität und damit die Nutzerzahlen zu erhöhen - nur eine kleine Ideeliste, die für den Erhalt der Bibliotheken spricht. Den Mehrheitsfraktionen würde jedenfalls der Genuss von ein paar grundlgenden Betriebswirtschaftlichen Fachbüchern auch gut tun. Als erstes wäre mal der Unterschied zwischen "Sparen" und "Einsparen" bzw. "Kürzen" zum nachlesen empfohlen. Da sieht man, wie wichtig Bibliotheken sind.
Nein, viel schlimmer. Tatsächlich verfolgt die Rot-Grüne Mehrheit in Kassel hier ganz eigene Ziele, ohne Rücksicht auf Verluste.
Allein die Kosten sprechen doch schon gegen den 30.06.13. Welch eine Geldverschwendung, welch eine Offenbarung. Erst unter den Rettungsschirm schlüpfen und dann bei der erstbesten Gelegenheit aus niederem politisschen Kalkül und ohne Not 250.000 Euro ausgeben?
Doch das ist ja nicht alles. Hier wird klar darauf spekuliert, dass so kurz vor den großen Schulferien einige Menschen mit nicht-schulpflichtigen Kindern schon oder noch in Urlaub sind, andere wegen des bevorstehenden großen Familienurlaubs wegen der Vorbereitungen den Wahltermin nicht wahrnehmen. Und dann steht natürlich die generelle Spekulation, dass bei einem singulären Termin deutlich weniger abstimmen, als würde man diese Abstimmung mit der Bundes- und Landtagswahl zusammen legen.
Nur gut, dass solche Tricks inzwischen eher das Gegenteil bewirken. Ich hoffe jedenfalls, das ganz besonders viele Kasseler BürgerInnen für den Erhalt der Bibliotheken stimmen. Übrigens: mit den 250.000 Euro könnte schon fast wieder ein 3/4 Jahr des Betriebs bezahlt werden.
Abgesehen davon ist der eigentliche Skandal, überhaupt auf die Idee einer Schließung zu kommen. Lesen bildet, öffentliche Bibliotheken sind in diesem Zusammenhang ungeheuer wichtig. Lesungen, Abendveranstaltungen, Kinderlesungen, alles mit oder ohne AutorInnen, Lesewettbewerbe, Bürgerbeteiligungen über Vereine, um das Personal zu entlasten und gleichzeitig die Attraktivität und damit die Nutzerzahlen zu erhöhen - nur eine kleine Ideeliste, die für den Erhalt der Bibliotheken spricht. Den Mehrheitsfraktionen würde jedenfalls der Genuss von ein paar grundlgenden Betriebswirtschaftlichen Fachbüchern auch gut tun. Als erstes wäre mal der Unterschied zwischen "Sparen" und "Einsparen" bzw. "Kürzen" zum nachlesen empfohlen. Da sieht man, wie wichtig Bibliotheken sind.
Samstag, 12. Januar 2013
Zeitbank-Modelle in Deutschland
:: Vorbemerkung
Die Idee, mit Zeitbanken fürs Alter vorzusorgen, stammt von verschiedenen Initiativen in Deutschland und Österreich. Zu den drei Säulen gesetzliche Rente, betriebliche Rente und private Rente kommt die vierte Säule "Zeitanspar-Rente" hinzu, die das Leben im Alter absichern soll.
In Deutschland arbeitet aktuell nur eine kleine Zahl von Zeitbanken. Die Modelle unterscheiden sich nur marginal. Dieses Dokument beschreibt den aktuellen Stand der uns bekannten aktiven Zeitbanken, ihre Vorteile, die bestehenden Probleme und die mit der Idee verbundene Vision. Ergänzend bietet dieses Dokument einen Blick über den Tellerrand in andere Staaten der Europäischen Union.
Inhalt
Zeitbank-Modelle in Deutschland
:: Was ist eine Zeitbank?
:: Funktionsweise
:: Mal ganz praktisch
:: Zeitbanken als Vorsorge-Modell
:: Vorteile von (Vorsorge)-Zeitbanken
:: Hindernisse und Probleme
:: Daten, Zahlen, Statistik
:: Bestehende Zeitbanken und Tauschringe mit Vorsorgezeitkonten
:: Beispiele aus anderen Ländern
:: Großbritannien
:: Österreich
:: USA
:: Danke
:: Was ist eine Zeitbank?
Eine Zeitbank ist in der Regel eine lokale Vereinigung zur Erbringung gegenseitiger Leistungen auf Grundlage einer geldlosen Tauschwirtschaft. Sie stellt eine organisierte Form der Nachbarschaftshilfe dar. Im Unterschied zu Tauschringen besteht bei Zeitbanken die explizite Möglichkeit ein Ansparguthaben zur zusätzlichen Altersversorgung aufzubauen. Anders als in der Nachbarschaftshilfe werden erbrachte und beanspruchte Dienstleistungen durch Zeitbanken formal organisiert. Zeitbanken sind zwar dem Tauschhandel innerhalb von Tauschringen sehr ähnlich, schließen aber in der Regel den Handel mit Waren aus und beschränken sich damit auf den Tausch von persönlichen Diensten.
In Deutschland lassen einige Zeitbanken und Tauschringe auch den Tausch von Gegenständen gegen Dienstleistungen zu, wenn sich Anbieter und Nachfrager über den Gegenwert an Zeiteinheiten einig werden (z.B. Kinderfahrrad gegen Garten umgraben).
Die Zeitbank selbst ist grundsätzlich ein Austauschsystem von Dienstleistungen ohne Geldvergütung und ohne Gewinnabsicht. Maßstab („Währung“) für die Verrechnung von Leistungen ist allein die aufgewandte bzw. in Anspruch genommene Zeit (=Lebenszeit der Mitglieder), unabhängig von Inhalt oder Ergebnis der Dienstleistung. Hat ein Mitglied Leistungen empfangen, gewährt es die Gegenleistung nicht unbedingt dem selben Dienstleister zurück, sondern kann diese auch gegenüber anderen Mitgliedern der Zeitbank erbringen. Geld ist meist nur für die Vergütung von belegbaren Spesen zugelassen. Deren Rahmen muss im voraus zwischen den beiden Mitgliedern geklärt werden.
:: Funktionsweise
Erbrachte Leistungen werden dem Leistung erbringenden Mitglied auf dessen „Zeitkonto“ (ähnlich einem Bankkonto) gutgeschrieben. Das Konto des Leistung empfangenden Mitglieds wird mit einem entsprechenden negativen Betrag (=Zeitschuld) belastet. Diese Belastung muss durch zu erbringende Dienste ausgeglichen werden. Ein möglichst ausgeglichenes Zeitkonto wird angestrebt.
Diese Zeitgutschriften können gegen Dienstleistungen anderer eingetauscht werden (z.B. Babysitten gegen Nachhilfe). Die Zeitguthaben werden nicht verzinst, können nicht zur Kapitalvermehrung verwendet werden und bleiben dem Tauschkreislauf erhalten.
Um die Möglichkeiten einer Zeitbank zu nutzen, ist eine Mitgliedschaft Voraussetzung. In der Regel ist diese Mitgliedschaft mit einer geringen Jahresgebühr oder einem Mitgliedsbeitrag verbunden. Diese Gelder werden für den Betrieb des Systems und einer Minimalversicherung für die Mitglieder eingesetzt. Bei Eintritt wird angegeben, welche Dienste das Mitglied anbieten will. Diese werden über eine Datenbank gelistet und bei Bedarf von anderen Mitgliedern abgefragt. Die Angebote können jederzeit verändert werden und die Mitglieder können im Einzelfall entscheiden, ob sie den Dienst zum gewünschten Zeitpunkt erbringen möchten.
Etliche der bestehenden ca. 400 Tauschringe in Deutschland und auch einige Genossenschaften betreiben bereits solche Zeitbanken. Nehmen und Geben von als gleichwertig angesehenen Dienstleitungen und/oder Objekten ohne Verwendung von Geld als Tauschmittel ist dort selbstverständlich.
:: Mal ganz praktisch
Die einfachste Form einer Zeitbank sind Zeitgutschriften in Papierform, oft Talente genannt. Das funktioniert bereits gut in einer kleinen Tauschgemeinschaft, wo sich die Mitglieder untereinander kennen. Wenn die Teilnehmerzahl größer ist, bietet sich die Verwendung einer Computer basierten Datenbank an, insbesondere dann, wenn über verschiedene Zeitbanken oder Tauschringe hinweg getauscht werden soll. Über Clearingstellen können Zeitguthaben sogar von einer zur anderen Organisation übertragen oder verrechnet werden. So können Mitglieder eines solchen Systems ihr Konto bei einem Umzug auch an den neuen Wohnort übertragen lassen.
:: Zeitbanken als Vorsorge-Modell
Beim Modell der Vorsorge-ZeitBank ist dieser Markt, wie beispielsweise bei Fureai Kippu in Japan, deutlich enger gefasst und beinhaltet nur alle Tätigkeiten, die es den Menschen erlauben, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben zu können, bevor die Pflegebedürftigkeit zu groß und die Unterbringung in einem Pflegeheim unumgänglich wird. Dieser Markt hilft insbesondere bedürftigen Menschen, die zu arm sind, um sich die notwendigen Dienstleistungen auf dem Geldmarkt einkaufen zu können. Die professionelle medizinische Versorgung und Pflege wird dabei weitgehend ausgenommen, weil diese von Fachkräften, die durch Kranken- und Pflegeversicherung finanziert werden, gewährleistet bleiben soll.
Aufgewendete Zeiten für nachbarschaftliche Hilfeleistungen können auf Zeitkonten angespart werden, um diese später, wenn man selbst Hilfe braucht, gegen Hilfeleistungen der gleichen Art zurück zu tauschen. Das kann auch als ein über viele Jahre zeitversetzter Tausch angesehen werden. Eine Vorsorge-Zeitbank ist ähnlich der gesetzlichen Rente ein Umlageverfahren, nur mit Zeit anstelle von Geld als Währung.
Erworbene Zeitguthaben können an andere Personen (Verwandte, Freunde, Bekannte) verschenkt werden, wenn man sie selbst nicht benötigt (weil man z.B. über genügend eigenes Einkommen verfügt). Zusätzlich sollte eine Vorsorge-Zeitbank ein Sozialkonto besitzen, in das nicht selbst benötigte Zeitguthaben transferiert werden und aus dem Bedürftige Zeitguthaben gespendet bekommen können, wenn sie selbst (noch) keine Guthaben ansammeln konnten.
:: Vorteile von (Vorsorge)-Zeitbanken
Zeitbanken haben sich, noch weniger als Tauschringe, etablieren können. Das hat in Deutschland vor allem juristische Gründe. Ausgehend von der Tauschringthematik wird allen auch nur entfernt ähnlichen Organisationen seitens der Finanzbehörden automatisch eine generelle Gewinnerzielungsabsicht und die Beschaffung geldwerter Vorteile für ihre Mitglieder unterstellt. De facto dürfte aber in fast allen Tauschringe die als gemeinnützig einzustufenden Vorgänge deutlich über der 60% und bei allen Zeitbanken zu annähernd 100% als gemeinnützig einzustufen sein. Wenn seitens der Politik hier eine Änderung erfolgt, würde die Akzeptanz und Nutzung sicher stark ansteigen. Dazu müssten einige juristische Grundlagen verändert werden, Geld würde das aber kaum kosten:
Für das Ansparen von Zeiteinheiten innerhalb von Zeitbanken und Tauschringen als Pflegesparmodell bzw. Vierte Säule der Altersvorsorge ist eine Steuerfreistellung bis zu einer jährlichen Gesamtzeit von 400 Std. sinnvoll. Dies begründet sich in der zunehmenden Schwierigkeit, zukünftig Pflegeleistungen und ausreichende Alterssicherung für alle noch bewältigen und in Euro finanzieren zu können. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit für Erwerbslose, Ihre freie Zeit für die Sicherung Ihres eigenen Lebensabends zu investieren und sich ggf. in neuen Bereichen beruflich zu qualifizieren. Ferner wird die Gefahr, Sozialfälle im Alter zu produzieren, vermindert.
Zeitbanken und Tauschringe müssen daher wie alle anderen gemeinnützigen Vereine mit wirtschaftlichem Zweckbetrieb behandelt werden. Beispiel: viele Selbsthilfevereine im Bereich der Behindertenselbsthilfe betreiben selbst ambulante Hilfsdienste für ihre Mitglieder. Die Einnahmen und Überschüsse daraus finanzieren dabei z.B. die kostenlosen Beratungsangebote solcher Vereine und machen die gemeinnützige Arbeit überhaupt erst möglich.
:: Daten, Zahlen, Statistik
Auf dem Bundes-ArbeitsTreffen der Tauschringe 2012 (BATT-2012: http://www.batt-online.de/) hat man sich in einem ersten Schritt darauf geeinigt, die deutschen Tauschringadressen auf der Homepage http://www.tauschringadressen.de/ gemeinsam zu aktualisieren und zu pflegen. Diese Liste ist noch nicht komplett und aktuell, da bisher nicht alle Tauschringe ihre Daten dort eingeben und/oder aktualisieren. Dies gilt auch für die dort angegebenen Mitgliederzahlen. Die Anzahl der Mitglieder und deren jährliche Tauschleistung lässt sich daher zur Zeit nur schätzen. Bei ca. 400 Tauschringen mit durchschnittlich 100 Mitgliedern ergibt sich eine geschätzte Gesamtzahl von 40.000 Mitgliedern. Stichproben ergeben, dass pro Mitglied und Jahr durchschnittlich 10 Zeitstunden getauscht werden. So entstehen hier ca. 400.000 Leistungsstunden pro Jahr.
:: Bestehende Zeitbanken und Tauschringe mit Vorsorgezeitkonten
:: Beispiele aus anderen Ländern
:: Großbritannien
Der reziproke Austausch von Dienstleistungen und Gefälligkeiten wird vom Gesetzgeber ausdrücklich gefördert und ist steuerbefreit. Ausgenommen hiervon sind Tausch-Schemata, die auch mit Waren handeln. Sofern allerdings kein Austausch von Materialien erfolgt, ist jegliche Form von Zeittausch, inkl. des Ansparens von Zeitguthaben etc. steuerfrei. Dies wurde in mehren Debatten des Parlaments beschlossen und ist im sogenannten "Hansard" nachzulesen. (siehe auch http://www.parliament.uk/search/results/?q=timebanking)
Die rechtliche Situation der Tauschringe und Zeitbanken als Organisationen ist daher einfacher, als in Deutschland. Vom Status her sind aktuell die meisten Charities (Wohltätigkeitsorganisationen) steuerbefreite Ltd's. (gemeinnützige GmbH's). Die Vorstände (board of trustees) müssen strenge rechtliche Regeln einhalten, so dass der Verwaltungsaufwand ungefähr dem einer Firma mit angehängtem Verein / Stiftung gleichkommt. Die Vorteile sind hoch: Möglichkeit der Teilnahme an Ausschreibungen gemeinnütziger Fördergelder, reduzierte Steuerausgaben für Angestellte etc., reduzierte Versicherungsprämien, Möglichkeit Spendenquittungen auszustellen usw..
Auch Versicherungen, in Großbritannien von Haus aus dem Kapitalismus verpflichtet, haben im Bezug auf Zeitbanken eine soziale Ader entwickelt und die Prämien innerhalb der letzten 10 Jahre drastisch gekürzt. Bei einigen Organisation sind die Prämien um ca. 500 % gesunken! Dies auch vor dem Hintergrund, dass seit Jahren bei allem Austausch von nachbarschaftlicher Hilfe kein einziger Versicherungsfall aufgetreten ist.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der britische Staat die Chance erkannt hat, durch Tauschringe und Zeitbanken das Leben seiner Bürger zu verbessern ohne dafür Geld auszugeben (sofern man die ausfallenden Steuereinnahmen, nicht als Ausgaben wertet). Zeitbanken und Tauschringe sind in Großbritannien landesweit organisiert. Der letzte Stand von ausgetauschter Zeiteinheiten ist: knapp unter 25.000 Mitglieder in 305 Zeitbanken und Tauschringen haben 1,8 Mio Stunden ausgetauscht.
Weitere Informationen unter www.timebanking.org oder www.fairshares.org.uk
:: Österreich
Talente-Tauschkreis Vorarlberg, Verein für organisierte Nachbarschaftshilfe, Weidenweg 2, 6850 Dornbirn
Zeitvorsorge - so sicher und beständig wie die Zeit
Der Talente-Tauschkreis Vorarlberg entwickelte ein aktives Vorsorgemodell, bei dem die Zeit als Wertmaßstab und Verrechnungseinheit dient: Wer Pflege- und Betreuungsarbeit leistet, kann diese Stunden fürs eigene Alter ansparen oder im Rahmen des Talente- Tauschkreises sofort konsumieren. Statt Vertrauen ins Geld setzen die Vorarlberger auf Vertrauen in die Gemeinschaft. Für eine erbrachte Stunde Leistung werden 100 Talente gutgeschrieben. Alternativ kann die Stunde auch geteilt werden – dann erhält das Mitglied 50 % Talente und 50 % des vereinbarten Stundensatzes in Euro. Die Talente sind an die Zeit (Stunde) gebunden. Die Wertsicherung auf Zeitbasis bewirkt, dass 100 Talente auch in 20, 40 und mehr Jahren noch eine Stunde wert sind. Der Tauschkreis Vorarlberg arbeitet in der Umsetzung des Modells eng mit Trägereinrichtungen für Pflege- und Betreuungsdienste zusammen, wobei auf die Einbindung der Gemeinden geachtet wird. Das Pflegesparkonto ist nach oben hin mit 50.000 Talenten begrenzt und kann nicht ins Minus geführt werden.
Weiter Informationen:
http://www.talentiert.at/uploads/media/zeitvorsorge_handoutneu.pdf
:: USA
MORE, Grace Hill, St.-Louis (USA) (Member Organised Resource Exchange)
The Heart of Grace Hill
Übersetzung einer Beschreibung von Karen Hill aus dem Jahr 1997
(MORE gibt es immer noch. Die Organisation hat inzwischen über 100.000 Mitglieder. Aktuelle Informationen und Daten finden Sie hier: www.gracehill.org/content/about.php)
MORE, Grace Hill, St.-Louis (USA)
(Member Organised Resource Exchange)
MORE ist ein Tauschsystem, das schon seit 1981 in St.-Louis besteht. Schon vom Umfang her lässt es sich mit deutschen Tauschringen nicht ohne weiteres vergleichen: es hat inzwischen (1997!) mehr als 15.000 Mitglieder. Außerdem hat es viele weitergehende soziale Funktionen als die in deutschen Zeitbanken oder Tauschringen bekannten. Das mag sicher auch damit zusammenhängen, dass es in den USA so etwas wie ein soziales Netz von Staats wegen nicht gibt.
Ähnlich wie hier in deutschen Zeitbanken oder Tauschringen, funktioniert MORE auf der Basis einer Verrechnung von Zeit gegen Zeit, d. h. auch dort wird von der Gleichwertigkeit der Zeit und der Menschen ausgegangen. Große Unterschiede gibt es aber in der Organisation und dem Umfang der Dienstleistungen. In St. Louis wird großer Wert auf die Bildung von Gemeinschaft gelegt. Es gibt lokale Gruppen (Stadtteilbezogen) mit jeweils einer/m Gruppenleiter/in, der nicht nur die Koordination von Dienstleistungen übernimmt, sondern auch gemeinsame Aktivitäten organisiert und die Teilnehmer beim Tausch von Leistungen unterstützt und motiviert.
Darüber hinaus ist MORE in ein umfassendes System von Hilfeleistungen für Notfälle eingebunden und arbeitet u. a. mit der Kirche und vielen anderen Institutionen zusammen. So kann MORE z.B. auch Hilfe ohne Gegenleistung gewähren, wenn Mitglieder unverschuldet in akuten Notfälle geraten (z.B. Sperre von Strom und Heizung, nichts zu essen, Rausschmiss aus der Wohnung u. v. m.). Es gibt in jedem Bezirk der Stadt St. Louis eine speziell geschulte Person, die Ansprechpartner/in für solche Fälle ist und die Organisation der Hilfsleistung übernimmt.
Es gibt bei MORE auch die Möglichkeit, sich Talent-Guthaben anzusparen für den Fall, dass man zu einem späteren Zeitpunkt hilfsbedürftig wird (Alter, Krankheit, Behinderung). Andererseits ist z. B. die Einbindung älterer Menschen ein wichtiger Schwerpunkt der Organisation. Man versucht, ihre Fähigkeiten besonders stark nachzufragen. Das bedeutet nicht nur die Bewahrung der Selbständigkeit für ältere Menschen, sondern auch Anerkennung und soziale Kontakte.
Über die üblichen Funktionen eines Tauschrings hinaus bietet MORE weitere Dienste und Unterstützung für seine Mitglieder an: Familienhilfe, Hilfe bei Wohnungssuche, Gesundheitserziehung, Erwachsenenbildung, Jobsuche.
Da inzwischen auch viele Geschäfte und sogar eine Bank in das System eingegliedert sind, können die Mitglieder über das System einen relativ großen Teil ihrer Bedürfnisse abdecken.
Positiv fällt dabei die Förderung von Eigeninitiative und Gemeinsinn auf. Es kann sein, dass ein solches System nicht unbedingt 1:1 auf uns übertragbar ist, da die amerikanische Gesellschaft in wesentlichen Punkten anders ist als unsere. Dennoch ist MORE ein gutes Beispiel dafür, was alles möglich ist, um Lebensqualität zu erhalten, auch wenn man durch Geldmangel, körperliche Einschränkungen oder soziale Benachteiligungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird.
:: Danke
Informationen für dieses Dokument wurden zur Verfügung gestellt von: Karl-Heinz Kock (Köln), Martin Schmidt-Bredow (München), Klaus Reichenbach (Kassel), Andreas Weide (Time Banks UK), Talente-Tauschkreis Vorarlberg
Redaktionelle Bearbeitung: Klaus Reichenbach
Die Idee, mit Zeitbanken fürs Alter vorzusorgen, stammt von verschiedenen Initiativen in Deutschland und Österreich. Zu den drei Säulen gesetzliche Rente, betriebliche Rente und private Rente kommt die vierte Säule "Zeitanspar-Rente" hinzu, die das Leben im Alter absichern soll.
In Deutschland arbeitet aktuell nur eine kleine Zahl von Zeitbanken. Die Modelle unterscheiden sich nur marginal. Dieses Dokument beschreibt den aktuellen Stand der uns bekannten aktiven Zeitbanken, ihre Vorteile, die bestehenden Probleme und die mit der Idee verbundene Vision. Ergänzend bietet dieses Dokument einen Blick über den Tellerrand in andere Staaten der Europäischen Union.
Inhalt
Zeitbank-Modelle in Deutschland
:: Was ist eine Zeitbank?
:: Funktionsweise
:: Mal ganz praktisch
:: Zeitbanken als Vorsorge-Modell
:: Vorteile von (Vorsorge)-Zeitbanken
:: Hindernisse und Probleme
:: Daten, Zahlen, Statistik
:: Bestehende Zeitbanken und Tauschringe mit Vorsorgezeitkonten
:: Beispiele aus anderen Ländern
:: Großbritannien
:: Österreich
:: USA
:: Danke
:: Was ist eine Zeitbank?
Eine Zeitbank ist in der Regel eine lokale Vereinigung zur Erbringung gegenseitiger Leistungen auf Grundlage einer geldlosen Tauschwirtschaft. Sie stellt eine organisierte Form der Nachbarschaftshilfe dar. Im Unterschied zu Tauschringen besteht bei Zeitbanken die explizite Möglichkeit ein Ansparguthaben zur zusätzlichen Altersversorgung aufzubauen. Anders als in der Nachbarschaftshilfe werden erbrachte und beanspruchte Dienstleistungen durch Zeitbanken formal organisiert. Zeitbanken sind zwar dem Tauschhandel innerhalb von Tauschringen sehr ähnlich, schließen aber in der Regel den Handel mit Waren aus und beschränken sich damit auf den Tausch von persönlichen Diensten.
In Deutschland lassen einige Zeitbanken und Tauschringe auch den Tausch von Gegenständen gegen Dienstleistungen zu, wenn sich Anbieter und Nachfrager über den Gegenwert an Zeiteinheiten einig werden (z.B. Kinderfahrrad gegen Garten umgraben).
Die Zeitbank selbst ist grundsätzlich ein Austauschsystem von Dienstleistungen ohne Geldvergütung und ohne Gewinnabsicht. Maßstab („Währung“) für die Verrechnung von Leistungen ist allein die aufgewandte bzw. in Anspruch genommene Zeit (=Lebenszeit der Mitglieder), unabhängig von Inhalt oder Ergebnis der Dienstleistung. Hat ein Mitglied Leistungen empfangen, gewährt es die Gegenleistung nicht unbedingt dem selben Dienstleister zurück, sondern kann diese auch gegenüber anderen Mitgliedern der Zeitbank erbringen. Geld ist meist nur für die Vergütung von belegbaren Spesen zugelassen. Deren Rahmen muss im voraus zwischen den beiden Mitgliedern geklärt werden.
:: Funktionsweise
Erbrachte Leistungen werden dem Leistung erbringenden Mitglied auf dessen „Zeitkonto“ (ähnlich einem Bankkonto) gutgeschrieben. Das Konto des Leistung empfangenden Mitglieds wird mit einem entsprechenden negativen Betrag (=Zeitschuld) belastet. Diese Belastung muss durch zu erbringende Dienste ausgeglichen werden. Ein möglichst ausgeglichenes Zeitkonto wird angestrebt.
Diese Zeitgutschriften können gegen Dienstleistungen anderer eingetauscht werden (z.B. Babysitten gegen Nachhilfe). Die Zeitguthaben werden nicht verzinst, können nicht zur Kapitalvermehrung verwendet werden und bleiben dem Tauschkreislauf erhalten.
Um die Möglichkeiten einer Zeitbank zu nutzen, ist eine Mitgliedschaft Voraussetzung. In der Regel ist diese Mitgliedschaft mit einer geringen Jahresgebühr oder einem Mitgliedsbeitrag verbunden. Diese Gelder werden für den Betrieb des Systems und einer Minimalversicherung für die Mitglieder eingesetzt. Bei Eintritt wird angegeben, welche Dienste das Mitglied anbieten will. Diese werden über eine Datenbank gelistet und bei Bedarf von anderen Mitgliedern abgefragt. Die Angebote können jederzeit verändert werden und die Mitglieder können im Einzelfall entscheiden, ob sie den Dienst zum gewünschten Zeitpunkt erbringen möchten.
Etliche der bestehenden ca. 400 Tauschringe in Deutschland und auch einige Genossenschaften betreiben bereits solche Zeitbanken. Nehmen und Geben von als gleichwertig angesehenen Dienstleitungen und/oder Objekten ohne Verwendung von Geld als Tauschmittel ist dort selbstverständlich.
:: Mal ganz praktisch
Die einfachste Form einer Zeitbank sind Zeitgutschriften in Papierform, oft Talente genannt. Das funktioniert bereits gut in einer kleinen Tauschgemeinschaft, wo sich die Mitglieder untereinander kennen. Wenn die Teilnehmerzahl größer ist, bietet sich die Verwendung einer Computer basierten Datenbank an, insbesondere dann, wenn über verschiedene Zeitbanken oder Tauschringe hinweg getauscht werden soll. Über Clearingstellen können Zeitguthaben sogar von einer zur anderen Organisation übertragen oder verrechnet werden. So können Mitglieder eines solchen Systems ihr Konto bei einem Umzug auch an den neuen Wohnort übertragen lassen.
:: Zeitbanken als Vorsorge-Modell
Beim Modell der Vorsorge-ZeitBank ist dieser Markt, wie beispielsweise bei Fureai Kippu in Japan, deutlich enger gefasst und beinhaltet nur alle Tätigkeiten, die es den Menschen erlauben, so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben zu können, bevor die Pflegebedürftigkeit zu groß und die Unterbringung in einem Pflegeheim unumgänglich wird. Dieser Markt hilft insbesondere bedürftigen Menschen, die zu arm sind, um sich die notwendigen Dienstleistungen auf dem Geldmarkt einkaufen zu können. Die professionelle medizinische Versorgung und Pflege wird dabei weitgehend ausgenommen, weil diese von Fachkräften, die durch Kranken- und Pflegeversicherung finanziert werden, gewährleistet bleiben soll.
Aufgewendete Zeiten für nachbarschaftliche Hilfeleistungen können auf Zeitkonten angespart werden, um diese später, wenn man selbst Hilfe braucht, gegen Hilfeleistungen der gleichen Art zurück zu tauschen. Das kann auch als ein über viele Jahre zeitversetzter Tausch angesehen werden. Eine Vorsorge-Zeitbank ist ähnlich der gesetzlichen Rente ein Umlageverfahren, nur mit Zeit anstelle von Geld als Währung.
Erworbene Zeitguthaben können an andere Personen (Verwandte, Freunde, Bekannte) verschenkt werden, wenn man sie selbst nicht benötigt (weil man z.B. über genügend eigenes Einkommen verfügt). Zusätzlich sollte eine Vorsorge-Zeitbank ein Sozialkonto besitzen, in das nicht selbst benötigte Zeitguthaben transferiert werden und aus dem Bedürftige Zeitguthaben gespendet bekommen können, wenn sie selbst (noch) keine Guthaben ansammeln konnten.
:: Vorteile von (Vorsorge)-Zeitbanken
- Es gibt keine Inflation (Wertverfall), eine Stunde (Lebenszeit) bleibt immer eine Stunde.
- Weil nur Zeit als Verrechnungseinheit verwendet wird, gibt es keine komplizierte (Renten-) Formel wie bei der gesetzlichen Rente, die bereits mehrfach ohne Mitwirkungsmöglichkeit der Einzahler von der Politik nach Kassenlage angepasst wurde.
- Verbesserung der Vorsorgesituation insbesondere für die armen Hilfsbedürftigen, ohne die öffentliche Hand finanziell zu belasten. Sie wäre die „Vierte Säule der Altersvorsorge“. Sie ist außerdem ein transparentes und selbstbestimmtes System.
- Abmilderung des Vorsorgeproblems in der Zukunft mit dramatisch anwachsender Zahl von Grundsicherungsempfängern durch die demographische Entwicklung und anhaltenden Rückgang des Lohnniveaus.
- Entlastung des schlechten Gewissens der MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen, die die von den Kassen bezahlten professionelle medizinische Versorgung und Pflege leisten und den Bedürftigen darüber hinaus die notwendige menschliche Zuwendung nicht geben können.
- Die unterschiedlichsten Hilfsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Vereine, die nachbarschaftliche Dienstleistungen anbieten, können ein gemeinsames System verwenden, das untereinander und regional Transparenz für Angebote und Nachfragen schafft und die Versorgung damit insgesamt wirkungsvoller gestaltet.
Zeitbanken haben sich, noch weniger als Tauschringe, etablieren können. Das hat in Deutschland vor allem juristische Gründe. Ausgehend von der Tauschringthematik wird allen auch nur entfernt ähnlichen Organisationen seitens der Finanzbehörden automatisch eine generelle Gewinnerzielungsabsicht und die Beschaffung geldwerter Vorteile für ihre Mitglieder unterstellt. De facto dürfte aber in fast allen Tauschringe die als gemeinnützig einzustufenden Vorgänge deutlich über der 60% und bei allen Zeitbanken zu annähernd 100% als gemeinnützig einzustufen sein. Wenn seitens der Politik hier eine Änderung erfolgt, würde die Akzeptanz und Nutzung sicher stark ansteigen. Dazu müssten einige juristische Grundlagen verändert werden, Geld würde das aber kaum kosten:
Für das Ansparen von Zeiteinheiten innerhalb von Zeitbanken und Tauschringen als Pflegesparmodell bzw. Vierte Säule der Altersvorsorge ist eine Steuerfreistellung bis zu einer jährlichen Gesamtzeit von 400 Std. sinnvoll. Dies begründet sich in der zunehmenden Schwierigkeit, zukünftig Pflegeleistungen und ausreichende Alterssicherung für alle noch bewältigen und in Euro finanzieren zu können. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit für Erwerbslose, Ihre freie Zeit für die Sicherung Ihres eigenen Lebensabends zu investieren und sich ggf. in neuen Bereichen beruflich zu qualifizieren. Ferner wird die Gefahr, Sozialfälle im Alter zu produzieren, vermindert.
Zeitbanken und Tauschringe müssen daher wie alle anderen gemeinnützigen Vereine mit wirtschaftlichem Zweckbetrieb behandelt werden. Beispiel: viele Selbsthilfevereine im Bereich der Behindertenselbsthilfe betreiben selbst ambulante Hilfsdienste für ihre Mitglieder. Die Einnahmen und Überschüsse daraus finanzieren dabei z.B. die kostenlosen Beratungsangebote solcher Vereine und machen die gemeinnützige Arbeit überhaupt erst möglich.
:: Daten, Zahlen, Statistik
Auf dem Bundes-ArbeitsTreffen der Tauschringe 2012 (BATT-2012: http://www.batt-online.de/) hat man sich in einem ersten Schritt darauf geeinigt, die deutschen Tauschringadressen auf der Homepage http://www.tauschringadressen.de/ gemeinsam zu aktualisieren und zu pflegen. Diese Liste ist noch nicht komplett und aktuell, da bisher nicht alle Tauschringe ihre Daten dort eingeben und/oder aktualisieren. Dies gilt auch für die dort angegebenen Mitgliederzahlen. Die Anzahl der Mitglieder und deren jährliche Tauschleistung lässt sich daher zur Zeit nur schätzen. Bei ca. 400 Tauschringen mit durchschnittlich 100 Mitgliedern ergibt sich eine geschätzte Gesamtzahl von 40.000 Mitgliedern. Stichproben ergeben, dass pro Mitglied und Jahr durchschnittlich 10 Zeitstunden getauscht werden. So entstehen hier ca. 400.000 Leistungsstunden pro Jahr.
:: Bestehende Zeitbanken und Tauschringe mit Vorsorgezeitkonten
- München: Zeitbank München
- Westerstede (Ammerland): www.Daheim-statt-Heim-Wst.de
- Eggesin(Mecklenburg-Vorpommern): www.Zeitbank-Vorpommern.de
- Marktoberdorf (Allgäu): www.zeitbank-marktoberdorf.de
- Winterberg-Hallenberg-Bromskirchen (Sauerland):
www.Wir-Fuer-Uns-Buergerhilfe.de - Zeitbank Thüringen e.V. in Erfurt: Zeitbank Thueringen
:: Beispiele aus anderen Ländern
:: Großbritannien
Der reziproke Austausch von Dienstleistungen und Gefälligkeiten wird vom Gesetzgeber ausdrücklich gefördert und ist steuerbefreit. Ausgenommen hiervon sind Tausch-Schemata, die auch mit Waren handeln. Sofern allerdings kein Austausch von Materialien erfolgt, ist jegliche Form von Zeittausch, inkl. des Ansparens von Zeitguthaben etc. steuerfrei. Dies wurde in mehren Debatten des Parlaments beschlossen und ist im sogenannten "Hansard" nachzulesen. (siehe auch http://www.parliament.uk/search/results/?q=timebanking)
Die rechtliche Situation der Tauschringe und Zeitbanken als Organisationen ist daher einfacher, als in Deutschland. Vom Status her sind aktuell die meisten Charities (Wohltätigkeitsorganisationen) steuerbefreite Ltd's. (gemeinnützige GmbH's). Die Vorstände (board of trustees) müssen strenge rechtliche Regeln einhalten, so dass der Verwaltungsaufwand ungefähr dem einer Firma mit angehängtem Verein / Stiftung gleichkommt. Die Vorteile sind hoch: Möglichkeit der Teilnahme an Ausschreibungen gemeinnütziger Fördergelder, reduzierte Steuerausgaben für Angestellte etc., reduzierte Versicherungsprämien, Möglichkeit Spendenquittungen auszustellen usw..
Auch Versicherungen, in Großbritannien von Haus aus dem Kapitalismus verpflichtet, haben im Bezug auf Zeitbanken eine soziale Ader entwickelt und die Prämien innerhalb der letzten 10 Jahre drastisch gekürzt. Bei einigen Organisation sind die Prämien um ca. 500 % gesunken! Dies auch vor dem Hintergrund, dass seit Jahren bei allem Austausch von nachbarschaftlicher Hilfe kein einziger Versicherungsfall aufgetreten ist.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass der britische Staat die Chance erkannt hat, durch Tauschringe und Zeitbanken das Leben seiner Bürger zu verbessern ohne dafür Geld auszugeben (sofern man die ausfallenden Steuereinnahmen, nicht als Ausgaben wertet). Zeitbanken und Tauschringe sind in Großbritannien landesweit organisiert. Der letzte Stand von ausgetauschter Zeiteinheiten ist: knapp unter 25.000 Mitglieder in 305 Zeitbanken und Tauschringen haben 1,8 Mio Stunden ausgetauscht.
Weitere Informationen unter www.timebanking.org oder www.fairshares.org.uk
:: Österreich
Talente-Tauschkreis Vorarlberg, Verein für organisierte Nachbarschaftshilfe, Weidenweg 2, 6850 Dornbirn
Zeitvorsorge - so sicher und beständig wie die Zeit
Der Talente-Tauschkreis Vorarlberg entwickelte ein aktives Vorsorgemodell, bei dem die Zeit als Wertmaßstab und Verrechnungseinheit dient: Wer Pflege- und Betreuungsarbeit leistet, kann diese Stunden fürs eigene Alter ansparen oder im Rahmen des Talente- Tauschkreises sofort konsumieren. Statt Vertrauen ins Geld setzen die Vorarlberger auf Vertrauen in die Gemeinschaft. Für eine erbrachte Stunde Leistung werden 100 Talente gutgeschrieben. Alternativ kann die Stunde auch geteilt werden – dann erhält das Mitglied 50 % Talente und 50 % des vereinbarten Stundensatzes in Euro. Die Talente sind an die Zeit (Stunde) gebunden. Die Wertsicherung auf Zeitbasis bewirkt, dass 100 Talente auch in 20, 40 und mehr Jahren noch eine Stunde wert sind. Der Tauschkreis Vorarlberg arbeitet in der Umsetzung des Modells eng mit Trägereinrichtungen für Pflege- und Betreuungsdienste zusammen, wobei auf die Einbindung der Gemeinden geachtet wird. Das Pflegesparkonto ist nach oben hin mit 50.000 Talenten begrenzt und kann nicht ins Minus geführt werden.
Weiter Informationen:
http://www.talentiert.at/uploads/media/zeitvorsorge_handoutneu.pdf
:: USA
MORE, Grace Hill, St.-Louis (USA) (Member Organised Resource Exchange)
The Heart of Grace Hill
Übersetzung einer Beschreibung von Karen Hill aus dem Jahr 1997
(MORE gibt es immer noch. Die Organisation hat inzwischen über 100.000 Mitglieder. Aktuelle Informationen und Daten finden Sie hier: www.gracehill.org/content/about.php)
MORE, Grace Hill, St.-Louis (USA)
(Member Organised Resource Exchange)
MORE ist ein Tauschsystem, das schon seit 1981 in St.-Louis besteht. Schon vom Umfang her lässt es sich mit deutschen Tauschringen nicht ohne weiteres vergleichen: es hat inzwischen (1997!) mehr als 15.000 Mitglieder. Außerdem hat es viele weitergehende soziale Funktionen als die in deutschen Zeitbanken oder Tauschringen bekannten. Das mag sicher auch damit zusammenhängen, dass es in den USA so etwas wie ein soziales Netz von Staats wegen nicht gibt.
Ähnlich wie hier in deutschen Zeitbanken oder Tauschringen, funktioniert MORE auf der Basis einer Verrechnung von Zeit gegen Zeit, d. h. auch dort wird von der Gleichwertigkeit der Zeit und der Menschen ausgegangen. Große Unterschiede gibt es aber in der Organisation und dem Umfang der Dienstleistungen. In St. Louis wird großer Wert auf die Bildung von Gemeinschaft gelegt. Es gibt lokale Gruppen (Stadtteilbezogen) mit jeweils einer/m Gruppenleiter/in, der nicht nur die Koordination von Dienstleistungen übernimmt, sondern auch gemeinsame Aktivitäten organisiert und die Teilnehmer beim Tausch von Leistungen unterstützt und motiviert.
Darüber hinaus ist MORE in ein umfassendes System von Hilfeleistungen für Notfälle eingebunden und arbeitet u. a. mit der Kirche und vielen anderen Institutionen zusammen. So kann MORE z.B. auch Hilfe ohne Gegenleistung gewähren, wenn Mitglieder unverschuldet in akuten Notfälle geraten (z.B. Sperre von Strom und Heizung, nichts zu essen, Rausschmiss aus der Wohnung u. v. m.). Es gibt in jedem Bezirk der Stadt St. Louis eine speziell geschulte Person, die Ansprechpartner/in für solche Fälle ist und die Organisation der Hilfsleistung übernimmt.
Es gibt bei MORE auch die Möglichkeit, sich Talent-Guthaben anzusparen für den Fall, dass man zu einem späteren Zeitpunkt hilfsbedürftig wird (Alter, Krankheit, Behinderung). Andererseits ist z. B. die Einbindung älterer Menschen ein wichtiger Schwerpunkt der Organisation. Man versucht, ihre Fähigkeiten besonders stark nachzufragen. Das bedeutet nicht nur die Bewahrung der Selbständigkeit für ältere Menschen, sondern auch Anerkennung und soziale Kontakte.
Über die üblichen Funktionen eines Tauschrings hinaus bietet MORE weitere Dienste und Unterstützung für seine Mitglieder an: Familienhilfe, Hilfe bei Wohnungssuche, Gesundheitserziehung, Erwachsenenbildung, Jobsuche.
Da inzwischen auch viele Geschäfte und sogar eine Bank in das System eingegliedert sind, können die Mitglieder über das System einen relativ großen Teil ihrer Bedürfnisse abdecken.
Positiv fällt dabei die Förderung von Eigeninitiative und Gemeinsinn auf. Es kann sein, dass ein solches System nicht unbedingt 1:1 auf uns übertragbar ist, da die amerikanische Gesellschaft in wesentlichen Punkten anders ist als unsere. Dennoch ist MORE ein gutes Beispiel dafür, was alles möglich ist, um Lebensqualität zu erhalten, auch wenn man durch Geldmangel, körperliche Einschränkungen oder soziale Benachteiligungen an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird.
:: Danke
Informationen für dieses Dokument wurden zur Verfügung gestellt von: Karl-Heinz Kock (Köln), Martin Schmidt-Bredow (München), Klaus Reichenbach (Kassel), Andreas Weide (Time Banks UK), Talente-Tauschkreis Vorarlberg
Redaktionelle Bearbeitung: Klaus Reichenbach
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